Die Suche nach dem Regenbogen
war der Mann von französischen Knappen umringt, und im Hintergrund konnte er Franz rufen hören: »Schafft ihn vom Platz, ehe sie seinen Helm aufmachen.«
Kein Franzose, dachte Suffolk, als er an dem verendenden grauen Hengst vorbeiging, seine Königin grüßte und ihr und England seinen Sieg zu Füßen legte. Er konnte sehen, daß sie vor Aufregung rote Wangen hatte. Aha, gut, dachte er. Sie wird meinem König, ihrem Bruder, einen guten Bericht schicken. Und trotz aller Siegesfreude verspürte er ein flüchtiges Bedauern. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er sich eingebildet, er dürfte sich ihr nähern, doch jetzt stand sie so weit über ihm wie die Sonne am Himmel. Aber ich stehe in ihrer Gunst, dachte er. Und sah noch einmal die Bewunderung in ihren Augen. Ja, eindeutig in ihrer Gunst. Ein zweifacher Sieg.
Kapitel 20
D a ich nun einmal in Paris war, hatte ich mir vorgenommen, mich zu bilden und mir die bedeutenden Kunstwerke in den Palästen des Königs und in den Kirchen der Stadt anzusehen, doch leichter gesagt als getan, da Frauen nicht überall Zutritt haben, und Nan sagte, mein Vorhaben, mich als Mann verkleidet in das Münster von St. Magloire einzuschleichen, sei eine Schnapsidee, und sie erlaube das einfach nicht, und außerdem würde sie mich anzeigen, was nicht nett von ihr war. Doch der Palast von Les Tournelles ist eine gute Schule für jeden Künstler, der das Glück hat, in Paris zu sein, denn in fast jedem Raum hängen wertvolle Gemälde. In der Kapelle gibt es alte religiöse Bilder von inzwischen unbekannten Meistern, sie sind auf Goldgrund gemalt, haben keine Tiefe und sind allesamt im alten Stil. Und es gibt Jagdszenen und mythologische Szenen und Porträts von längst dahingeschiedenen Königen, die in der langen Galerie hängen. Marguerite, die Herzogin von Alençon, legte ein gutes Wort für mich ein und verschaffte mir Zugang zu vielen Räumen, die mir sonst verschlossen geblieben wären, und auch zu ihrer Privatsammlung, in der sich ein Buch mit Porträtzeichnungen ihrer Freunde befand, die vornehmlich im Atelier von Maître Jean Clouet entstanden sind, der das größte Porträtatelier von ganz Paris besitzt und viel zu tun hat. Zu meinem Glück verstand er nichts von den Geheimnissen der kleinformatigen Malerei, und ich behielt sie auch schön für mich. Das fiel mir nicht weiter schwer, weil ich eine Frau war und ohnedies alle dachten, meine Kunstfertigkeit beruhe auf Gefühl und Hexerei statt auf harten Lehrjahren.
Ich lernte wirklich viel durch das genaue Betrachten dieser verschiedenen Gemälde und Zeichnungen, aber einige machten mir auch Mut, da sie trotz aller Berühmtheit einfach scheußlich waren. Und das machte die anderen wett, an denen ich schier verzweifelte, weil ich es ihnen nie gleichtun würde, wie beispielsweise einige aus Italien. Dabei stellte sich auch heraus, daß der König keinen Leonardo hat. Alles nur dummes Gerede. Er besitzt die Kopie einer Madonna mit Engeln, und an der Komposition erkannte ich, daß der italienische Maler ein großer Meister war und wahrscheinlich selbst Engel gesehen hatte, da einer von ihnen Hadriel sehr ähnlich sah.
Ich hatte auch den Auftrag des Bischofs nicht vergessen, ihm eine Liste von dem zu schicken, was der französische König an der Wand hängen hat, und die war in Arbeit, jedoch noch nicht weit gediehen. Gewiß, Wolsey hatte mir noch nicht einmal einen Teil der fünfzehn Pfund gezahlt, die er mir jährlich zugesagt hatte, doch das ist Künstlerlos. Zumindest aber hatte er mir viel Arbeit verschafft, vornehmlich dadurch, daß ich mit nach Frankreich reisen durfte, und ein paar Leute hatten ja auch gezahlt, und da ich sparsam war, befand sich noch immer Geld in meinem Beutel. Außerdem waren die Namen meiner hochgestellten Kundschaft nützlich, wenn ich Material auf Pump haben wollte, was einer Frau besonders schwergemacht wird. Aber so ist das, wenn man hohen Herrschaften dient. Zuerst muß man borgen, um sich Material für das zu beschaffen, was sie haben wollen, und dann schuldet jeder jedem und wartet auf das Geld, das vielleicht eines Tages bezahlt wird oder auch nicht, falls der hohe Herr oder die hohe Dame nicht daran zu denken geruht. Aber es ging mir jetzt besser als früher, weil ich freie Kost und ein Atelier hatte, dessen Miete Herzogin Marguerite im voraus bezahlt hatte, und dazu Aussicht auf ein anständiges Honorar, wenn Madame Claudes Engel fertiggestellt waren.
Und als ich mich unmittelbar nach dem
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