Die Suche nach dem Regenbogen
Gesicht?« Nan redet und redet, aber nur, weil sie sich ständig Sorgen machen muß.
»Ich dachte, ich hätte alles weg. Was ist das, Hühnchen? Sind wir denn schon reich?«
»Ihr müßt bei Kräften bleiben. Master Hull mußte auch immer bei Kräften bleiben, wenn ihn die Eingebung überkam. Und außerdem seid Ihr nach den ganzen Ereignissen noch nicht völlig genesen.« Mistress Hull ist immer sehr rücksichtsvoll und übergeht häßliche Dinge, die jemanden so unglücklich machen könnten, daß er möglicherweise Trübsal bläst und nicht malt. »Wie läuft es mit der alten Dame? Habt Ihr sie schon abgespeckt? Nach dem Abendessen zeige ich Euch meine Gemälde von Adam und Eva. Vielleicht ist ein Bild darunter, das Ihr als Vorlage benutzen könnt.«
Falls mich jemand eitel und prahlerisch finden sollte, so möchte ich ihm entgegenhalten, daß Adam und Eva die schlimmste Prüfung überhaupt waren und den Menschen Demut lehren konnten und ich bereits überlegte, ob ich mit Fußbödenschrubben in einer wohltätigen Institution nicht doch besser dran wäre. Master Hulls Evas nebst Adam waren genauso grün und häßlich wie seine Heiligen, nur daß die Heiligen voll bekleidet waren, Adam und Eva hingegen nackt wie Neugeborene, und sie tollten im Garten Eden mit einer großen Schlange herum, der er das Gesicht eines häßlichen, alten Teufels gegeben hatte. Das waren nun wirklich keine religiösen Bilder, es sei denn, es handelte sich um eine nichtchristliche Religion, die ich nicht kannte. Ehe ich sie sah, hatte ich gedacht, sie zu kopieren wäre ein Kinderspiel, das Geld würde eine Zeitlang nur so hereinströmen, und am Ende würden die Menschen begreifen, daß meine wahren, erleuchteten Bilder, die ich noch nicht gemalt hatte, viel besser wären.
Kaum hatte ich sie gesehen, da war mir klar, daß ich arg in der Klemme saß, ich, die ich mich insgeheim großgetan und mich gebrüstet hatte, doch glücklicherweise nicht laut, sonst wäre alles noch viel schlimmer gewesen. Master Hull konnte nämlich die menschliche Anatomie nicht richtig zeichnen, daher sahen seine Menschen entfernt wie Insekten aus. Aber ich konnte sie noch viel weniger zeichnen, und seine Gemälde taugten nicht als Vorlage, denn auf denen war sie auch falsch. Hände und Gesichter gelingen mir immer ausgezeichnet, denn das habe ich gut gelernt, seit Kinderzeiten. Mein Vater hat mich darin ausgebildet, er ließ mich unermüdlich, bis ich weinen mußte, einen häßlichen, alten Schädel zeichnen, denn er sagte, man kann kein Fleisch zeichnen, wenn man nicht über den Knochen darunter Bescheid weiß. Und ich mag hübsche Kleider und zeichne sie ständig, denn ich muß schon sagen, fast gefällt mir das besser, als sie zu besitzen. Außerdem nehmen sie weniger Platz ein, und man braucht keinen großen Kleiderschrank.
Nun bin ich zwar als Dame erzogen worden, und man hat mich in Französisch und Italienisch und Musik unterwiesen, doch nackte Körper zu zeichnen, das habe ich nicht gelernt, da es unanständig ist, und überhaupt, selbst wenn man ein Aktmodell hätte, so dürften es anständige Mädchen ohnedies nicht ansehen. Ich saß also in einer schrecklichen Patsche, mußte nackte Menschen malen, die so herumtollten, daß sich lüsterne Mönche daran erfreuten, statt schallend darüber zu lachen. Mir war nach Weinen zumute, doch statt dessen log ich, bat aber vorher Gott wieder einmal um Vergebung, und Er hatte mir letztens wahrlich viel zu vergeben. Ich sagte einfach, es wäre leicht, solche Bilder zu malen, und schloß mich im Atelier ein, weil ich nachdenken und zeichnen und einen Ausweg aus diesem Dilemma suchen wollte, denn woher soll Mistress Hull sonst die Wurst nehmen, die sie so gern ißt. Ihre Strickwaren kauft doch niemand, und vom Verkauf von Stecknadeln kann kein Mensch leben. Ich finde, Gott sollte sich besser um die Witwen kümmern, doch Mistress Hull sagt, Gott hilft nur denen, die sich selbst helfen, und ich fand immer, sie hätte unrecht, doch neuerdings denke ich darüber anders.
Ich machte mich also daran, das beste der Gemälde zu kopieren, doch der Adam geriet mir melonenförmig und mit langen Spinnenbeinen, da ich nicht wußte, wo diese eingesetzt waren. Eva sah etwas besser aus, aber auch nicht viel, und je länger ich sie betrachtete, desto mehr schien ihr Busen am falschen Fleck zu sitzen. Ich rieb die mißlungenen Stellen weg und versuchte es von neuem, und schon bald war die Zeichnung nur noch ein großes schwarzes
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