Die Suche nach dem Regenbogen
dümmere Männer verstellt war, Schwachköpfe, die sich einbildeten, sie regierten die Welt. Das Geheimnis des Buches – es würde ihm endlich die herausragende Stellung verschaffen, die ihm gebührte. Er trank, dann begab er sich wieder an die Aufgabe, sein Fragment zu entziffern, und dachte dabei laut vor sich hin.
»Also, hier am Anfang sagen die Verse den Untergang der falschen Könige voraus… wer mögen die sein? Dieser Tage gibt es so viele… Laß sehen, hier spielt er auf den Dämon an, der über den französischen Teil der Hölle herrscht, hmm, ja, er dürfte also die Dynastie der Kapetinger meinen… doch was ist dann die Dynastie des Wahren Blutes? Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß der vortreffliche Simon dieses weiter hinten im Buch offenbaren will. Und diese andere Sache, »die Spaltung der Eiche«. Daraus werde ich überhaupt nicht schlau, obschon der ehrenwerte Simon es für wichtig zu halten scheint. Zum Teufel mit diesem Dallet, er hat mich betrogen. Ich kann nur hoffen, daß seine Seele in der Hölle schmort.« Unten klapperte der Eselskopf gegen die Tür. Crouch lauschte den Schritten seines Dieners, der öffnen ging, und versteckte das Buchfragment unter einem Papierstapel.
Der Fremde, der hereingeführt wurde, war hochgewachsen, grauhaarig, würdevoll und trug ein ausländisches Gewand.
»Maître Bellier, zu Euren Diensten, hochverehrter Sieur Crouch.« Beim Anblick des unzüchtigen Bechers blitzte es in den Augen des Fremden auf, ein flüchtiges Lächeln des Wiedererkennens huschte über sein Gesicht. Der Ausdruck des Fremden entging Crouchs zynischen und bösartigen grünen Augen durchaus nicht. Aha, dachte er, wie merkwürdig. Da habe ich meine Antwort. Wir sind uns ebenbürtig.
»Ein antiker Kunstgegenstand, eine Kuriosität, die ich kürzlich erworben habe«, sagte er scheinheilig-freundlich.
»Aber gewiß doch, Sieur Crouch, ich verstehe vollkommen. Der Becher ist ein alter Bekannter. Von dem gibt es in Europa eine ganze Reihe.« Das schmale und kluge Gesicht des Fremden verzog sich zu einem spöttischen Lächeln.
»Fürwahr, Maître Bellier, das habe ich nicht geahnt. Nehmt bitte Platz und sagt, was Euch zu mir führt. Liegt Euch am Kauf von Raritäten? Ich besitze einige seltene Gegenstände, die Euch interessieren könnten, obschon der Becher hier unverkäuflich ist.«
»Ach, Sieur Crouch, Ihr habt meine Absicht bereits entdeckt. Wir wissen nämlich, daß Ihr zufällig auf den Hort von London gestoßen seid.«
»Der Hort von London?« Crouch hob eine Augenbraue. »Fürwahr, davon habe ich noch nie gehört.«
»Und Ihr habt auch noch nie von den Tempelrittern gehört, den einstigen Besitzern großer Reichtümer, denen jedoch durch ein Komplott des Königs von Frankreich mit dem Papst alles geraubt wurde?«
»Ich beschäftige mich mit Geschichte, Maître Bellier. Ich weiß sehr wohl, daß man sie unter der Herrschaft Philipps des Schönen der Hexerei und obszöner und diabolischer Praktiken für schuldig befunden hat.«
Der Fremde beugte sich zu Crouch hinüber und sprach jetzt in vertraulicherem Ton. »Ah, mein Freund, wir beide sind weltläufige Männer. Sie waren die größten Bankiers, die die Welt überhaupt gekannt hat. Sie waren so redlich, daß ihnen alle Schätze der Welt anvertraut wurden – eine große Versuchung für jeden Herrscher. Ihr und ich, wir beide wissen doch, daß sie gute Christen waren – mit einigen Ausnahmen.«
»Ausnahmen?«
»Nun, in großen altehrwürdigen Organisationen wird es immer einige geben, die – andere Praktiken ausprobieren. So gab es einige Isolierte, Stolze, die nicht nur Gott und Christus anbeteten, sondern auch das durch eine weibliche Gottheit der Antike verkörperte Generationsprinzip und einen mächtigen Mittler zwischen den Kräften des Himmels und der Hölle…«
»Baphomet…«
»Ach, dann wißt Ihr Bescheid. Hören wir also auf, uns etwas vorzumachen. Meine Herren sind willens, Euch gewisse wertvolle Gegenstände abzukaufen.«
»Woher wißt Ihr, daß ich die besitze?«
»Die seltene Münze, die Ihr Monsieur de Norfolk verkauft habt. Sie wurde einem unserer Spitzel gezeigt. Wußtet Ihr, woher sie stammt? Ich glaube nicht. Es ist eine französische Münze aus der Zeit der Merowinger. Aus der Zeit König Dagoberts. Ich versichere Euch, solch eine Münze hat nichts im Königreich England zu suchen, es sei denn als Teil des Horts von London. Wir wissen genau Bescheid, was er umfaßt. Einen ähnlichen Schatz gibt es
Weitere Kostenlose Bücher