Die Suche nach dem Regenbogen
anständigen Winkel für mich und Nan, wo die albernen Damen nicht meine Sachen begrapschen und mit ihren Fettfingern mein Inkarnat betatschen, daß die Farbe nicht halten will.«
»Dann beschäftigt Ihr Euch jetzt mit geistlichen Dingen? Mit der Fleischwerdung?«
»Meister, Inkarnat, das ist die Fleischfarbe und zugleich auch das Pergament mit der Grundierung«, sagte Tom, der wieder einmal lauschte.
»Das weiß ich«, schnauzte Master Ailwin.
»Meister, wenn Ihr Mistress Dallet erlaubt, mich ins Hinterzimmer zu begleiten, suche ich ihr heraus, was sie haben will, wiege es ab und erspare Euch die Mühe.«
»Mühe! Du Halunke, aufräumen sollst du! Heute abend trifft sich hier die Gesellschaft, und ringsum sehe ich nur gestapelte Sachen und nirgendwo eine Sitzbank!«
»Na, dann gehe ich doch gleich nach hinten«, sagte er und winkte mir, ich sollte mitkommen, während Master Ailwin die Sachen auf dem Bord neu anordnete und über die Jugend und ihre Unehrerbietigkeit in diesen bösen Zeitläuften schimpfte und murrte.
»Mistress, vergebt ihm, er hat wieder so einen Anfall«, sagte Tom, und da tat mir der arme Junge leid, der sich so treu und fürsorglich um seinen übellaunigen Herrn kümmerte, auch wenn er beim Abliefern der Farben zuweilen Augen wie ein gestochenes Kalb machte.
»Aber gewiß doch«, sagte ich und sah mich um. »Du liebe Zeit, wie findest du hier, was du suchst?«
»Jedesmal, wenn er etwas zurückbringt, stellt er es woanders hin«, sagte der Lehrjunge, »und ich gehe hinter ihm her und ordne richtig ein, was mir möglich ist. Manchmal kann nicht einmal ich die Sachen wiederfinden. Laßt sehen, Ihr wollt also Malachitgrün haben?«
»Oh, sag mal, was ist denn das da?« Inmitten eines Durcheinanders von alten Glasgefäßen und halbvollen Behältern lagen auf einem Arbeitstisch mehrere alte Pergamente mit wunderlichen Zeichen, ein aufgeschlagenes Buch mit Schaubildern und eine sonderbare silberne Statuette einer nackten Frau mit rätselhaftem Lächeln.
»Nicht übel, wie, für eine Heidin?« Er nahm die Statuette in die Hand. »Der Meister hat ihren Wert in Silber aufgewogen und sie vor der Schmelze bewahrt. Es gibt einen Ausländer, der wunderliche Dinge sammelt, und der will, wenn er zurückkommt, das Doppelte dafür geben.«
»Doch nicht etwa ein seltsamer, kugelrunder Mann, der japst?« fragte ich besorgt.
»O nein, ein dünner, alter französischer Kerl mit zerfurchtem Gesicht und grauem Haar. Nicht Sir Septimus Crouch, falls Ihr den meinen solltet. Das ist ein schleimiger Händler. Aber dem wischen wir immer eins aus – seht her. Dem verkaufen wir diese Fälschungen als Antiquitäten.«
»Diese Pergamente? Aber die sehen doch alt aus.«
»Vielleicht nicht von Anfang an, aber bestimmt, wenn wir sie bearbeitet haben. Schatzkarten, alchimistische Allegorien, mit denen man den Stein der Weisen finden kann. Die Leute bringen dem Meister etwas zum Entschlüsseln, und wenn es wertloses Zeug ist, kauft er es und verfälscht es. Das letzte große Ding, das er ihm angedreht hat, war die Karte zum verlorengegangenen Schatz der Tempelritter. Aber seht her –« Der Junge kramte in dem Durcheinander und zog ein hölzernes Tafelbild hervor, altersbraun oder zumindest mit einem alt aussehenden Firnis. Selbst auf so alt getrimmt, erkannte ich es sofort. Eine meiner badenden Evas nebst blätterumranktem Adam und leuchtender Bergspitze im Garten Eden. Vorn im Laden klingelte ein Glöckchen, und wir im Hintergrund hörten eine brummige Unterhaltung.
»Das haben wir von einem Schankwirt, der es von einem Mönch in Zahlung genommen hat. Ist es nicht hinreißend? Crouch wird seine helle Freude daran haben.«
»Was stellt es denn dar?« fragte ich gespielt unschuldig, was mir angesichts der Zerstörung meiner schönen Lasuren nicht leichtfiel.
»Also«, sagte er in einem gelehrten, geschwollenen Tonfall, der sich ganz nach Master Ailwin anhörte, wenn er prahlt, »es handelt sich um eine Allegorie des Heiligen Grals und wurde von dem toten französischen Meister Fouquet gemalt. Sehr her. Hier sind Adam und Eva, sie stellen die Ursünde dar, und dort ist die Vergebung, sie wartet auf dem in goldenes Licht getauchten Gipfel.«
»Aber woher weißt du, daß es sich um den Heiligen Gral handelt?«
»Es ist der Berg, Mistress. Jeder Schüler des Okkulten erkennt diesen Berg auch ohne die Festung auf dem Gipfel. Ich habe einen Holzschnitt von ebendiesem Ort. Das ist Montségur, die Festung der
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