Die Suche nach der Sonne
Geschütze erschreckten ihn, aber seine Anwesenheit erlaubte der Gruppe, eine unbeschwerte Haltung einzunehmen, ohne dabei ein unvernünftiges Risiko einzugehen.
Es dauerte fast eine Stunde, bis sich jemand in ihre Nähe wagte. Dann kamen drei Männer in Sicht, hielten an und diskutierten. Sie trugen alle graue Baumwollkleidung. Schließlich kam der Wagemutigste von ihnen alleine auf die sitzende Gruppe zu. Er hatte das ernste Auftreten eines Priesters. Er ignorierte Sine und Maq und warf sich dann plötzlich und zur Überraschung aller vor Cherry auf den Boden. Der Illusionist, der wie üblich seine weiße Toga trug, sprang erstaunt auf und blickte Maq fragend an. Dieser bedeutete ihm lautlos, das Gespräch in die Hand zu nehmen.
Cherry sah die vor ihm ausgestreckte Gestalt verblüfft an, dann nahm er theatralische Pose ein und sagte: »Ich, Cherry, bitte dich: Steh auf!«
Der Fremde erhob sich dankbar.
»Herr, der du den Himmel zu Donner rührst, wir begrüßen dich demütig. Welchem Anlaß haben wir diese unverdienteste aller Ehren zu verdanken?«
»Wir sind lediglich auf der Durchreise«, sagte Cherry, der nicht wußte, in welche Richtung er das Gespräch lenken sollte. Er suchte nach einer einfacheren Beschreibung. »Wir sind Reisende, wir studieren Länder und Völker.«
»Herr des Himmels, du redest merkwürdig. Steht nicht geschrieben, daß wir das einzige und letzte Volk sind?«
»Man darf nicht alles glauben, was man liest«, sagte Cherry. Dann bemerkte er, wie Maq warnend die Stirn runzelte, und fügte hastig hinzu: »Denn nicht alles, was geschrieben steht, wird immer zur Gänze verstanden.«
Das Gesicht des Mannes leuchtete auf. »Und du könntest uns zeigen, wie man versteht, o Herr?«
»Ich, Cherry, kann euch Dinge bringen, die realer sind als die Realität!«
Maq Ancor schnitt ihm schnell das Wort ab. »Mein Herr hat eine lange Reise hinter sich. Er wird sich zuerst ausruhen; dann wird er euch seine wundersame Macht vorführen. Und wir, seine Diener, wünschen ebenfalls, euch zu besuchen und Beobachtungen zu machen. Denn man kann die Wahrheit nur durch Wissen herausfinden.«
Der Fremde schien erst in diesem Augenblick Ancors furchterregendes Gesicht bemerkt zu haben, denn er machte einen Schritt zurück. Dann fiel sein Blick auf die grünstrahlende Sine Anura, und plötzlich mußte er sich wie in der Gesellschaft von Engeln vorgekommen sein, denn er sank mit einem lauten Aufschrei auf die Knie und beugte sich flehend vor. Als er seine Augen wieder öffnete, war die Gruppe verschwunden; die Luken waren verschlossen.
»Es scheint, als ob wir einen unverhofften Vorteil haben«, sagte Ancor, als sich die Mannschaft im Schiff versammelte. »Im Augenblick verfügen wir nur über begrenzte Informationen, wir können uns also nicht blind darauf verlassen, aber offenbar hat man Cherry die Rolle eines kleinen Propheten zugedacht. Ich gedenke, das auszunutzen. Ich schlage vor, daß er und Carli bei Einbruch der Dunkelheit am Stadtrand eine Holo-Show mit echten Aufnahmen der Mars-Schale geben. Das sollte den Einheimischen eine Menge Stoff zum Nachdenken geben, und wenn sie vorher nie eine Holo-Projektion gesehen haben, wird es ihnen wie Magie erscheinen.«
»Jede hochentwickelte Technik läßt sich nicht von Magie unterscheiden«, verkündete Cherry geschwollen.
Ancor ignorierte die Bemerkung. »Tez, ich möchte, daß du an den Waffen bleibst. Wenn wir Ärger bekommen, sollten einige Granaten über ihren Köpfen genügen, um sie davon zu überzeugen, daß mit uns nicht zu spaßen ist.«
Tez zuckte die Achseln. »Was ist mit Sine und dir?«
»Wir gehen auf Erkundung. Ich will, wenn möglich, in eine dieser Pyramiden. Sie sind offensichtlich viel älter als die Stadt und scheinen den Status von Tempeln zu haben. Ich glaube, wir könnten dort eine Menge in Erfahrung bringen.«
Tez nickte zögerlich. »Aber ich will in Funkkontakt bleiben. Wenn ich schon zurückbleibe, muß ich wissen, was los ist.«
»In Ordnung«, sagte Ancor. »Jeder von uns wird Waffen und ein Funkgerät mit sich führen und Tez über seine Aktivitäten auf dem Laufenden halten. Cherry, wenn ich den Einfallswinkel dieser Proto-Sonne richtig deute, hast du ungefähr eine Stunde, um eine Holo-Show zusammenzustellen. Glaubst du, das ist genug?«
»Einem Genie ist nichts unmöglich…«, sagte Cherry, »…ich brauche nur jemanden, der mir beim Heben hilft.«
Als sich die örtliche Proto-Sonne dem Horizont zuneigte, verblaßte
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