Die Suche nach der Sonne
überreden. Sie machten es unmißverständlich klar, daß man die Wahl zwischen Auswanderung und Tod hatte. Sine und Maq bekamen einen unvergeßlichen Vorgeschmack davon, was die Vollstreckung der Bevölkerungskontrolle bedeutete. Sie drehten sich Hand in Hand um und gingen durch die Tür.
Die Kapsel eines Speichen-Shuttles war eigentlich ein automatisches, in jeder Hinsicht komplettes Raumfahrzeug. Lediglich die Steuerung wurde zur Gänze von einem Exis-Feld übernommen. Das Abteil für die Auswanderer war ein spartanisch eingerichteter Zylinder, der Schaumstoffmatten, die als Betten und Sofas dienten, einen Vorrat an Wasser und verpackten Lebensmitteln und nur das Nötigste an Geräten enthielt. Der Shuttle verfügte über keine künstliche Schwerkraft. Statt dessen wurde der Zylinder während des Fluges in Rotation versetzt. Während der Flugphase zwischen dem Start und der Aufnahme des rotierenden Fluges mußten die Passagiere mit Netzen vorliebnehmen. Es gab keine Sichtluken und nur die eine Schleuse, durch die sie den Shuttle bestiegen hatten. Alle Steuer- und Antriebsgeräte waren mit stählernen Schotten vor jeder erdenklichen Störung geschützt.
Ancor und Sine Anura sahen sich bestürzt im Innern des Shuttles um. Der Zylinder war für ungefähr 150 Auswanderer konzipiert, aber bis jetzt waren sie alleine. Als die Ansagen signalisierten, daß der Shuttle auf dem Weg zur Ladeschleife war, die die Shuttles in die Speiche führte, ging ihnen auf, daß sie alleine bleiben würden. Zeus, so schien es, hatte ganz besondere Pläne für die Passagiere dieses Schiffs. Ancor schnitt eine Grimasse, als ihm klar wurde, daß er bald eine Antwort auf die Frage »Wohin gehen die Auswanderer?« erhalten würde. Auf einer weit entfernten Schale am äußersten Ende des ins Stocken gekommenen Solaren Universums würden er und Sine Zeus’ Probleme am eigenen Leib erleben.
Sie folgten den hysterischen Alarmtönen und kletterten in die Sicherheitsnetze, die wie unbeholfene Spinnen dahingen, während der Shuttle aufgerichtet wurde. Der Zylinder begann sich zu drehen. Dann folgte eine Reihe komplizierter Manöver, als der Zylinder seitwärts und eine immer enger werdende Spirale entlang nach unten transportiert wurde, bis er schließlich in die Exis-Speiche eingeführt wurde. Die Kombination aus Drehung und spiralförmiger Bewegung erzeugte in ihnen Übelkeit, bis die beiden Bewegungsrichtungen langsam miteinander verschmolzen und sie nur noch der künstlichen Schwerkraft und dem sanften, aber unablässigen Beschleunigungsdruck ausgesetzt waren. Sie waren gestartet!
Sie kletterten aus den Netzen; die gekrümmte Oberfläche des Zylinders diente jetzt als ›Boden‹. Sie untersuchten das Innere des Shuttles von neuem, fanden aber nichts, was ihnen hilfreich sein könnte, dieser Lage zu entrinnen, Sine Anura ließ sich auf eines der Schaumstoffsofas fallen und bedeutete Maq, sich zu ihr zu gesellen.
»Wie lange werden wir hier sein, Maq?«
»Das kommt darauf an, wie viele Schalen weit man uns schickt, und was die Endgeschwindigkeit des Shuttles in der Exis-Röhre ist. Normalerweise geht man davon aus, daß ein Shuttle nicht weit über exosphärische Reisegeschwindigkeit hinauskommt, aber es kann sein, daß es im Raumflug genauso schnell wie die Shellback ist. Dann würden wir etwa 20 Tage bis zur Erd-Schale brauchen, und weitere 40 Tage bis zur Mars-Schale. Die einzige Schale danach, über die wir klare Informationen haben, ist die Asteroiden-Schale, die weitere 70 Tage entfernt ist. Wir haben also vier Monate vor uns, nur, um die bekannten Teile Solarias hinter uns zu bringen, und was dahinter liegen mag…«
»Vier Monate hier drinnen!« Sie warf einen entsetzten Blick auf die spartanische Einrichtung. »Das ist wie ein Gefängnis. Ich werde verrückt.«
»Das wäre vielleicht nicht das Schlimmste«, sagte Ancor leise. »Denn wenn Solaria so groß ist, wie ich glaube, und dieses Shuttle nicht schneller als 80.000 Kilometer pro Stunde fliegt, könnten wir hier gut und gerne Jahre verbringen.«
»Maq, ich halte das nicht aus! Ich will hier weg, ich will raus.«
»Das muß der Aufschrei jedes Zwangs-Auswanderers sein – aber die meisten von ihnen haben es überstanden, nicht wahr?« Er ließ sich neben sie auf das Sofa fallen. »Vergiß nicht, wir sind immer noch am Leben, obwohl Zeus mit uns anstellen kann, was er will.«
Sie war ihm dankbar dafür, daß er sie tröstete, und erwiderte den Trost. In der summenden Stille
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