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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihm Percy aus einer Sammlung juristischer Texte vorlas, die ein oder zwei Jahre zuvor veröffentlicht worden war.
     
    » Wenn es irgendein Verbrechen gibt, das eine exemplarische Bestrafung verdient, so ist es dieses. Andere Verbrechen verachten die Gesellschaft; dieses jedoch zielt gegen ihren Kern, denn nur selten wird bekannt, dass eine Person, die sich einen derart widernatürlichen Missbrauch ihrer Fortpflanzungsfähigkeit hat zuschulden kommen lassen, doch noch die rechte Einstellung den Frauen gegenüber entwickelt. Aufgrund dieser Indifferenz gegenüber den Frauen, die so charakteristisch für Männer dieses schändlichen Appetits ist, darf in aller Fairness geschlossen werden, dass sie mit Unempfänglichkeit gegenüber dem ekstatischsten Vergnügen geschlagen sind, dessen sich die menschliche Natur in der Gegenwart erfreuen kann. Daher scheint es eine höchst angebrachte Bestrafung zu sein, solche Individuen jeder Lust an einer Freude zu berauben, die sie gar nicht recht zu schätzen wissen, und somit gleichfalls der Möglichkeit, ihre gottlose Disposition an ihre Kinder weiterzugeben, falls sie solche bekämen .«

    »Das heißt also«, fasste Grey zusammen, »dass wir ausgemerzt werden müssen, weil unsere Freuden nicht ekstatisch genug sind?«
    Percys Stirn entspannte sich ein wenig, und er schloss das Buch.
    »Und damit wir diesen abscheulichen Mangel nicht an unsere Kinder vererben - nicht, dass es unter den gegebenen Umständen wahrscheinlich wäre, dass wir welche bekommen.«
    »Nun, was das angeht - ich kenne mehr als einen Mann, der zwar keine Freude im Bett seiner Ehefrau findet, es aus Pflichtgefühl aber dennoch aufsucht.«
    »Ja, das ist wahr.« Percys Stirn war zwar noch gerunzelt, nun aber nicht mehr beklommen, sondern nachdenklich. »Glaubst du, es ist tatsächlich anders? Zwischen einem Mann und einer Frau? Nicht nur mechanisch, meine ich, sondern auch, was ihre Gefühle betrifft?«
    Grey hatte schon oft genug mit angesehen, wie zwischen den Reichen und den Adeligen Ehen arrangiert wurden, um zu wissen, dass die Gefühle und die gegenseitige Anziehung der Beteiligten normalerweise als irrelevant betrachtet wurden, wenn sich überhaupt jemand darüber Gedanken machte. Wohingegen es bei den längeren Beziehungen, die er von Zeit zu Zeit gehabt hatte, um nichts anderes ging, da er keinerlei gesellschaftlichen Erfordernissen genügen musste. Dennoch dachte er darüber nach, während er das friedvolle Auf und Ab von Percys Atmung unter seiner Wange genoss.
    »Ich glaube, dass ein Ehrenmann bei allem, was er tut, Güte und Aufrichtigkeit walten lässt«, sagte er schließlich. »Und da das so ist - ist es wirklich so wichtig, ob der Adressat eine Frau oder ein Mann ist?«
    Percy lachte kurz auf.
    »Güte und Aufrichtigkeit? Das ist ja schön und gut - aber was ist mit der Liebe?«
    Grey schätzte - und fürchtete - die Liebe zu sehr, um sinnlos Widerspruch einzulegen.
    »Liebe lässt sich nicht erzwingen«, sagte er schließlich,
»oder bewusst herbeirufen. Noch weniger«, sagte er reumütig, »lässt sie sich abweisen.« Dann setzte er sich hin und richtete den Blick auf Percy, der die Augen gesenkt hatte und mit der Fingerspitze die Muster auf der Tagesdecke nachzeichnete. »Aber ich glaube, du liebst mich nicht, oder?«
    Percy lächelte schwach, ohne aufzublicken. Und ohne ihm zu widersprechen.
    »Lässt sich nicht abweisen«, wiederholte er. »Wer war er? Oder ist er?«
    »Ist.« Grey spürte, wie bei diesem einen Wort ein plötzlicher Ruck durch sein Herz ging. Freude und Schrecken zugleich; das Eingeständnis ließ sich nicht zurücknehmen.
    Jetzt blickte Percy zu ihm auf, und seine braunen Augen leuchteten vor Neugier.
    »Es ist - ich meine, er - du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Es besteht keine Chance, dass es zwischen uns zu etwas kommt«, platzte Grey heraus und biss sich auf die Zunge, um den plötzlichen Impuls zu unterdrücken, Percy alles zu erzählen - nur um der momentanen Ekstase willen, von Jamie Fraser zu sprechen. Doch so unklug war er nicht, und er hielt die Worte in seiner Kehle fest unter Verschluss.
    »Oh. Er ist nicht …« Percy ließ den Blick kurz über Greys nackten Körper huschen und richtete ihn dann wieder auf sein Gesicht.
    »Nein.«
    Es war spät am Tag; das Licht fiel durch die hohen Dachfenster in das Zimmer auf Percys glänzende Lockenpracht und verwandelte seine Gesichtszüge in ein Relief aus Licht und Schatten, doch sein Körper verharrte im

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