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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Ganz gleich, ob Zuversicht und Freude, Verzweiflung oder die Rage des Angriffs, es gibt kein Zeichen dafür, wie sich die Gefühle verbreiten. Sie sind einfach nur plötzlich da. Was mag nur der Mechanismus dieser spontanen Verbreitung sein? Grey wusste es nicht, doch er spürte das Phänomen.
    »Heh!«, rief er einem barhäuptigen Soldaten nach. »Heh, Andrews! Habt Ihr nicht etwas verloren?«
    Er hakte seinen Kavalleriesäbel aus, bückte sich und angelte nach dem schäbigen Dreispitz, bevor er zertrampelt werden konnte. Der Hut klirrte; genau wie viele andere Infanteristen hatte auch Andrews seine Kopfbedeckung von innen mit Eisenstreifen verstärkt, um besser gegen Hiebe gefeit zu sein.
    Grey trieb Karolus durch das Gedränge und setzte den Hut zielsicher auf dem Kopf des verblüfften Andrews ab, dessen Kameraden schallend lachten. Sie salutierten ihm, und Grey verbeugte sich lässig und gab sich seinerseits keine Mühe, seine Belustigung zu verbergen. Sie war wie Wein, die Luft vor der Schlacht, und sie waren alle trunken vor nervöser Erwartung.
    Gut sahen sie aus, dachte er beifällig. Nicht so auf Hochglanz poliert wie die Preußen, aber überschwänglich und kampflustig gestimmt.

    »Korporal Collet!«, bellte er, und dreißig Köpfe fuhren in seine Richtung herum. Collets Kompanie war die größte - und beste - Kompanie unter seinem Kommando, eine Kompanie, die er persönlich seit über zwei Jahren betreute und ausbildete und die er so weit perfektioniert hatte, dass sie mehr oder minder wie ein einziges Wesen agierte. Ein Anblick, der das Herz eines Kommandeurs entzückte.
    »Sir!«, knurrte Collet, der jetzt an seiner Seite auftauchte.
    »Bringt Eure Kompanie an die vorderste Front, Korporal. Formiert Euch zur Linken; Ihr seid unser Angelpunkt. Setzt Euch auf Hauptmann Wilmots Signal hin in Bewegung.«
    »Sir, ja, Sir!« Collets sonst so verschlossenes Gesicht strahlte über diese Ehre, und er rannte zu seinen Männern zurück und brüllte Befehle. Die Männer jubelten und trabten Schulter an Schulter davon wie eine Herde überaus blutrünstiger Schafe.
    Lärm. Totale Verwirrung, aber dennoch geordnete Verwirrung. Korporäle, die ihre Kompanien zur Ordnung riefen, Leutnants und Hauptmänner, die zu Pferd hin und her ritten, um ihre Divisionen in Formation zu bringen. Und die Husaren, die als berittene Boten unterwegs waren und im Eiltempo durch das Gedränge huschten wie Elritzen durch einen langsam schwimmenden Schwarm von Rotaugen.
    Ein Schwein stob plötzlich durch die Nebelfetzen und galoppierte panisch mitten durch eine weiter entfernte Kompanie hindurch, die in Johlen und Kreischen ausbrach. Einer der deutschen Offiziere erschoss es, und ein kleiner Trupp von Harpyien huschte durch die Ränge, um sich mit Messern auf das Tier zu stürzen, während die Soldaten einen Bogen um sie machten. Grey seufzte, denn er wusste, dass man ihm die Rechnung für das Schwein präsentieren würde.
    Der deutsche Lagertross. Diese Frauen - teils Prostituierte, teils Ehefrauen, von denen mindestens die Hälfte, unabhängig von ihrem gesetzlichen Status, hemmungslose Schlampen waren - klebten wie die Kletten an der Armee, der sie sogar bis in die Schlacht folgten, um bei jeder Gelegenheit zu plündern und zu stehlen. Mochte Gott denen beistehen, die ihnen in die
Quere kamen, dachte Grey, während er beobachtete, wie sie das Schwein zerfetzten.
    Der Klang der Signalhörner durchschnitt die stickige Luft, und Karolus warf schnaubend den Kopf zurück. Grey verspürte einen unerwarteten, schmerzlichen Stich; wie gern hätte er diesen Moment mit Percy geteilt. Doch jetzt war der falsche Moment, um der Vergangenheit nachzutrauern. Die Armee hatte sich in Bewegung gesetzt.
     
    Von Verstohlenheit konnte keine Rede sein. Zusammengenommen zählten Herzog Ferdinands Truppen etwas mehr als zweiunddreißigtausend Mann, die Franzosen und Österreicher über fünfzehntausend mehr. Es war eine vollkommen geradlinige Angelegenheit - sofern man etwas, das von einer Armee unternommen wurde, mit diesem Wort bezeichnen konnte -, bei der es auf Geschwindigkeit, Stärke, Taktik … und Willenskraft ankam.
    Ein junger Husar, der sich vor Aufregung und Stolz kaum halten konnte, kam auf Grey zugehastet, um ihm eine Note zu überbringen.
    » Viel Glück «, stand darauf.
    Grey lächelte und steckte sich den Zettel in die Tasche. Er hatte Hal vor ein paar Minuten genau die gleiche Note überbringen lassen. Es war ihre Angewohnheit, sich, wenn

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