Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
aussprechen würde. Doch Lucinda hatte viele Verwandte, von denen mindestens die Hälfte weiblichen Geschlechts waren, und sie hielt es für ihre moralische Verpflichtung, ihren Schwestern und Cousinen zu guten Ehen zu verhelfen.
    »Unglücklicherweise nicht. Sein Vater - Ihr habt Euch sicher schon gedacht, dass er der Stiefsohn des Generals ist? - war irgendein Prediger. Soweit ich weiß, waren seine Eltern so arm wie Kirchenmäuse. Der General wird ihm eine kleine Summe vererben, doch er hat keinerlei Besitz.«
    Lucinda summte erneut, diesmal weniger beifällig.
    »Dann hält er also Ausschau nach einer reichen Frau, wie?«, sagte sie mit einem gewissen Maß an Resignation. Sie entstammte einer alten, geschätzten Familie, die jedoch keinen Reichtum besaß.
    »Das lässt sich noch nicht sagen.« Grey dachte, sein Tonfall wäre neutral gewesen, doch sie sah ihn scharf an.
    »Oho«, sagte sie. »Hat er sich in jemand Verbotenen verliebt?«
    Grey fühlte sich, als hätte sie ihn plötzlich vor die Brust gestoßen. Er hatte ganz vergessen, wie scharfsinnig sie war. Sir Richard Joffrey war in der Tat ein guter Diplomat - doch er verdankte seinen Erfolg zu nicht geringen Teilen auch den gesellschaftlichen Verbindungen seiner Frau … und ihrer Fähigkeit, Dinge auszuspionieren, die zu wissen lebensnotwendig war.
    »Wenn es so ist, hat er mir nichts davon gesagt«, sagte Grey mit, wie er hoffte, gut gespielter Indifferenz. »Seid Ihr dem großen Mann schon vorgestellt worden? Soll ich es tun?«
    »Oh, Monsieur Diderot?« Lucinda warf dem Ehrengast einen spekulativen Blick zu. »Ich bin ihm vor einigen Jahren in Paris begegnet. Ein sehr geistreicher Mann, selbst wenn ich, glaube ich, nicht gern mit ihm verheiratet wäre.«
    »Weil er sich eine Mätresse hält?«
    Sie sah überrascht aus, dann wedelte sie mit ihrem Fächer ab.

    »Nicht doch. Das Problem mit geistreichen Menschen ist, dass sie sich gezwungen fühlen, ihren Witz jederzeit zu demonstrieren - was am Frühstückstisch sehr anstrengend ist. Sir Richard«, sagte sie voller Genugtuung, »ist alles andere als geistreich.«
    »Das wäre bei einem Diplomaten wohl auch nicht gut«, pflichtete Grey ihr bei. »Soll ich Euch eine Erfrischung holen?«
    Da Lady Joffrey bejahte, drängte er sich durch die Menge, das Buch, das sie ihm gegeben hatte, immer noch in der Hand. Im ganzen Raum hallten die Gespräche und die Aufregung eines gelungenen Salons wider, doch ein akustischer Zufall trug ihm Diderots Stimme ganz deutlich zu - nasal wie alle Franzosen, aber volltönend und angenehm. Er schien von seiner Frau zu sprechen.
    »Sie hat sich nämlich diese Idee in den Kopf gesetzt, dass alle Romane vulgär und minderwertig sind, und wünscht, dass ich ihr nur erhebenden Stoff vorlese - Bibelkommentare, die Werke - haha! - Burkes und seiner Gesinnungsgenossen.«
    Einige seiner Zuhörer stimmten in sein Lachen ein, obwohl Edmund Burke sehr populär war.
    »Also«, fuhr die warme Stimme hörbar amüsiert fort, »habe ich es mir zur Aufgabe gemacht, ihr die deftigsten Geschichten vorzulesen, die ich finden kann. Dadurch verdoppelt sich der Wert der Lektion, denn sie hört die Geschichten nicht nur selbst, sondern erzählt sie dann ihren Freundinnen entsetzt bis ins letzte Detail wieder.«
    Daraufhin brach Gelächter aus, sodass Grey gezwungen war, dem Bediensteten am Buffet seinen Wunsch mit den Händen zu signalisieren. Dieser nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und reichte ihm einen silbernen Becher mit Punsch und einen kleinen Häppchenteller. Indem er diese Gegenstände gemeinsam mit dem Gedichtband in den Händen balancierte, trat er den Rückweg durch das Zimmer an, nur um Lucinda Joffrey bereits im Besitz einer Erfrischung anzutreffen, mit der sie ein neuer Begleiter versorgt hatte, in dem er einen einflussreichen Parlamentsabgeordneten erkannte.

    Lucinda warf ihm über die Schulter des Mannes hinweg einen raschen Blick zu und vollführte eine kleine Geste mit ihrem Fächer, die er als Signal verstand, dass sie mit einer vertraulichen Transaktion beschäftigt war. Er nickte verständnisvoll und zog sich auf eine passende Fensterbank zurück, auf der er im Schutz der Damastvorhänge Platz nahm, um die Häppchen selbst genüsslich zu verspeisen und unterdessen das Kommen und Gehen der Gesellschaft zu beobachten.
    Er war schon länger nicht mehr mit dem Londoner Strom geschwommen und empfand es als angenehm dazusitzen, zu hören, wie sich die größten

Weitere Kostenlose Bücher