Die Sünde der Brüder

sich.
    »Kommt mit«, sagte er resigniert und packte Percy am Ärmel. »Ausfallschritte. Aber stechte Euch nicht in Fuß, sì ?«
    Während Percy rapide bis auf Hemd und Hose entkleidet und mit einem zerkratzten, stumpfen Rapier ausgestattet wurde, um Ausfallschritte zu üben, entkleideten sich auch die Greys für den Kampf.
    » En garde .« Hal nahm seine Fechthaltung ganz natürlich ein. Das Knie gebeugt und das Rapier nach vorn gewandt, drehte er Grey die Seite seines Körpers zu und hielt die linke Hand elegant hinter seinem Kopf erhoben.
    » J’ai regardé .« Grey berührte Hals Klinge sacht mit der seinen, sodass sie sich kreuzten. Signor Berculi, der sie mit Argusaugen umkreiste, um jeden Fehler zu erspähen, rief: » Commençez !«, und sie begannen.
    Eigentlich war es nur eine Demonstration ihrer Form, und keiner der beiden strebte nach einem echten Vorteil, sondern nur nach einer Gelegenheit, ein Coupé oder Passe avant zu versuchen und ihre Muskeln zu lockern, während sie einander langsam umkreisten.
    Grey sah, dass Percys Blick neugierig auf ihnen ruhte, bis auch Signor Berculi bemerkte, dass er sich ablenken ließ, und ihn barsch zu seinen Ausfallschritten abkommandierte.
    Er holte tief Luft, berauscht vom Geruch nach altem und frischem Schweiß, vom Metallaroma seiner Waffe und der Reibung des Knaufes in seiner Hand. Er kämpfte gern mit dem Rapier; es war so leicht, dass er es kaum als etwas anderes empfand denn als Erweiterung seines eigenen Körpers.
    Er und sein Bruder passten körperlich gut zueinander. Sie waren gleich groß, und Hal hatte ihm zwar ein paar Pfund an Gewicht voraus, doch dafür hatte Grey die etwas größere Reichweite. Trotz dieser offensichtlichen Chancengleichheit - und der Tatsache, dass Hal ein guter Schwertkämpfer war -, wusste Grey, dass er besser war.
    Er ließ sich dieses Wissen bei ihren Übungskämpfen nur selten
anmerken, denn genauso gut wusste er, dass Hal es hasste zu verlieren und dass er schlechte Laune haben würde, wenn er es tat. Jetzt jedoch stellte er fest, dass er Hal - wenn auch kaum merklich - bedrängte, und mit einem Blick auf Percy und einer schwachen Gänsehaut begriff er, dass er heute vorhatte zu gewinnen, ganz gleich, welche Konsequenzen dies hatte.
    »Hast du noch etwas von den Verschwörern gehört?«, fragte Grey, genauso sehr, um seinen Bruder abzulenken, wie aus Neugier.
    Hal fing seinen Vorstoß mit einem kräftigen Gegenstoß ab, hieb zu und versuchte eine Quarte , die ihm jedoch nicht gelang.
    »Sie werden diese Woche vor Gericht gestellt«, sagte er knapp.
    »Ich habe -« Hieb, Gegenstoß, eine vorgetäuschte Prime , und Greys Waffe berührte Hal schwach an der Schulter, und er lächelte. »- habe nichts davon in der Zeitung gesehen.«
    »Das kommt noch.« Grunzend unternahm Hal einen Ausfallschritt, und diesmal konnte er sich nur mit knapper Not rechtzeitig abwenden.
    »Sie -« Inzwischen begann Hal, schwer zu atmen, und seine Worte kamen in kurzen Stößen. »- haben sich für - die Vorgehensweise entschieden - die ich vorausgesagt habe.«
    »Die politischen Aspekte des Falls zu verschweigen?« Grey atmete immer noch unbeschwert. »Sag ›Fischers Fritz fischt frische Fische‹.«
    »Hinterm Herrenhinterhaus hackte Hans Holz! Verdammt!« Eine Salve von Hieben und ein heftiger Stoß, der seine Brust so knapp verfehlte, dass Grey die Klinge an der Vorderseite seines Hemdes entlanggleiten spürte.
    »Fischers Fritz fischt frische Fische, Fischers Fritz fischt frische Fische, Fischers F-« Lachend - und weil er jetzt selbst zu keuchen begann - brach er ab und kämpfte.
    Hieb, Hieb, Finte, ein halber Schritt zurück, als Hals Rapierspitze an seinem Gesicht vorübersauste, noch einer, Hal beugte sich zu weit vor - nein, er hatte sich noch gefangen und war in
letzter Sekunde zurückgesprungen, als Greys Klinge aufwärtsflog. Ausfallschritt und Terz, erneute Terz ohne Freiraum, und das Stampfen seiner Stiefel ließ den Staub von den Dielen auffliegen.
    Hal hatte begriffen, was er vorhatte; er konnte Hals Gedanken spüren, als seien sie in seinem eigenen Kopf, konnte spüren, wie sich der Hauch von erstaunter Verärgerung veränderte und die Wut in ihm aufstieg, dann der Ruck, als Hal sich zusammenriss, sich zur Beherrschung zwang, zur Kälte und zu mehr Vorsicht.
    Grey selbst war solche Selbstbeherrschung fremd. Er war außer sich vor Glück und trunken vor Kampflust. Sein Körper fühlte sich an wie ein geöltes Tau, dehnbar und schlüpfrig,