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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dachten. Ich habe neue Düfte von
solcher Süßigkeit entdeckt, weinen mußte ich. In den Alleen ist
Sonnenregen über mich gefallen, wie ein Schauer von Wünschen. Die
Rosen haben mir von dir gesprochen. Die Blutfinken erstaunten, daß
ich einsam war. Durch den Garten ging ein Seufzen … O komm,
nie hat der Rasen weichere Lager gebreitet. Ich habe das Versteck,
zu dem ich dich geleiten will, mit einer Blume bezeichnet; inmitten
eines Dickichts ist es, eine grüne Höhle, wie ein breites Bett.
Dort kann man das Leben des Gartens belauschen, Bäume, Wasser,
Himmel. Der ureigene Atem der Erde selbst wird uns einwiegen …
O komm, wir werden uns lieben in der Liebe des Alls.«
    Er stieß sie zurück. Wieder stand er vor der Totenkapelle,
gegenüber der großen Christusfigur aus bemalter Papiermasse, hoch
wie ein zehnjähriges Kind, deren Todeskampf so entsetzlich
naturwahr sich darstellte. Eisern sahen die Nägel aus, die Wunden
klafften grauenhaft aufgerissen.
    »Jesus, der du für uns gestorben bist, sag' ihr, wie nichtig wir
sind!« rief er. »Sag' ihr, daß wir Staub sind, Unrat und
Verworfenheit! Ach, erlaube mir, daß ich das Haupt mir verhülle mit
einem Büßerhemd, daß ich meine Stirne auf
deine Füße lege, daß ich dort ausharre, bis der Tod mich verdirbt.
Die Erde nehm' ich nicht mehr wahr. Die Sonne wird erloschen sein.
Ich werde nichts mehr sehen und hören. Nichts von dieser elenden
Welt wird meine Seele ablenken können von der Anbetung zu dir.«
    Er geriet mehr und mehr in Verzückung. Mit erhobenen Händen ging
er auf Albine zu.
    »Du hast recht, der Tod wohnt hier, den Tod ersehne ich, den
befreienden Tod, der aus aller Verdorbenheit erlöst … Hörst
du, ich verneine das Leben, weise es ab, bespeie es. Deine Blumen
stinken, deine Sonne blendet, was sich lagert in deinem Gras, wird
aussätzig, dein Garten ist ein Beinhaus, wo Gestorbenes in Fäulnis
übergeht. Die Erde trieft von Abscheulichkeit. Du lügst, wenn du
von Liebe, von Licht und Glückseligkeit sprichst in der Tiefe
deiner grünen Paläste. Nur Finsternis gibt es bei dir. Deine Bäume
sondern Gift aus, das die Menschen in Tiere verwandelt; deine
Gehölze sind dunkel vom Gifte der Vipern; die Pest wogt unterm
blauen Gewässer deiner Flüsse. Wenn ich deiner Natur ihr
Sonnenkleid, ihren Blättergürtel abreißen könnte, so sähest du sie
in furienhafter Häßlichkeit, wie eine Megäre, unheimlich
leichenhaft und ganz zerfressen von Lastern. Und sagtest du auch
wahr und wären deine Hände mit Freuden erfüllt, entführtest du mich
auf ein Lager von Rosen, um mir dort paradiesische Träume zu
schenken, so würde ich mich verzweifelter noch deiner Umarmung
erwehren. Krieg ist zwischen uns, unerbittlich, seit Jahrtausenden.
Sieh dich um, die Kirche ist unscheinbar, sie ist armselig und
häßlich; Beichtstuhl und Kanzel sind aus Eichenholz,
jene Altäre sind aus vier Brettern
zusammengeschlagen, die ich selbst angestrichen habe. Was liegt
daran? Größer ist sie als dein Garten, dies Tal, größer als die
ganze Erde. Eine furchtbare Festung ist sie und uneinnehmbar.
Winde, Sonnen, Wälder und Wasser, alles Lebendige mag noch so
anstürmen gegen sie, aufgerichtet wird sie bleiben und nicht einmal
erbeben. Ja, laßt das Gestrüpp emporschießen, rütteln an den Mauern
mit stacheligen Armen, laßt aus Erdspalten wimmelnde Insekten
kriechen und die Mauern benagen, niemals wird die Kirche, sei sie
auch noch so verödet, untergehen im Strudel des Lebens! Sie ist
unerbittlich wie der Tod … Und willst du wissen, was eines
Tages geschehen wird? Die kleine Kirche wird sich so riesenhaft
dehnen, sie wird solchen Schatten werfen, daß die gesamte Natur
zugrunde gehen muß. O Tod, Alltod, der Himmel reißt auf, um die
Seelen aufzunehmen über den Schreckenstrümmern der Welt!«
    Er schrie fast und drängte Albine heftig nach der Tür. Sie war
tief erblaßt und wich Schritt für Schritt zurück. Als er schwieg,
weil ihm die Stimme versagte, sagte sie ernst:
    »So ist es also aus, du jagst mich fort? … Und doch bin ich
dein Weib. Du hast mich dazu gemacht. Wenn Gott dies zuließ, kann
er uns so hart nicht strafen wollen.«
    Sie stand auf der Schwelle und sagte noch:
    »Höre, alle Tage bei Sonnenuntergang werde ich bis ans Ende des
Gartens gehen, zu der Stelle, wo die Mauer eingestürzt ist… Ich
warte auf dich.«
    Und sie ging. Die Türe der Sakristei fiel seufzend ins
Schloß.

Kapitel 9
     
    Schweigen erfüllte die Kirche. Nur der stärker

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