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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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junger Katzen wurde im Stall in wenigen Stunden
vertilgt.
    »Gäbe man ihnen einen Christenmenschen,« fuhr sie fort, »sie
würden ihn schon klein kriegen … Und widerstandsfähig gegen
Schmerzen! Sie können ganz bequem leben mit einem gebrochenen
Glied. Wenn sie noch so große Wunden haben, faustgroße Löcher im
Körper, so schlingen sie ihre Suppe darum nicht weniger gierig.
Deshalb hab' ich sie gern; ihr Fleisch verwächst in zwei Tagen, ihr
Körper ist immer warm, als ob ihnen ein Sonnenvorrat unter den
Federn steckte … Wenn ich ihnen ein Fest bereiten will,
verabfolge ich ihnen rohes Fleisch. Und erst Würmer, sieh nur, wie
sie die mögen.«
    Sie lief zum Misthaufen, suchte nach einem Wurm und nahm ihn ohne Widerwillen auf. Die Hühner warfen sich
auf ihre Hände. Sie aber hielt den Wurm in die Höhe und machte sich
über ihre Gefräßigkeit lustig. Schließlich ließ sie ihn fallen. Die
Hühner stießen einander und machten sich über ihn her; dann
enteilte ein Huhn, den Wurm im Schnabel, verfolgt von den anderen.
Solcher Art wurde er erobert, verloren, zurückgewonnen, bis ein
Huhn ihn mit einem heftigen Ruck verschlang. Da blieben alle
plötzlich mit zurückgebogenem Hals stehen und warteten runden Auges
auf einen weiteren Wurm. Desiderata, ganz beglückt, rief sie mit
Namen und sagte ihnen Koseworte; der Abbé Mouret hingegen wich
einige Schritte zurück vor der Heftigkeit dieses gefräßigen
Lebens.
    »Nein, lieber nicht,« sagte er zu seiner Schwester, die ihn ein
Huhn, das sie mästete, heben lassen wollte. »Es ist mir unangenehm,
lebende Tiere anzufassen.«
    Er versuchte zu lächeln. Desiderata schalt ihn Hasenfuß.
    »Nun, und meine Enten, Gänse, Truthühner! Was tätest du wohl,
wenn du dich um die alle zu kümmern hättest? … Enten, die sind
dreckig. Hörst du, wie sie schnattern im Wasser! Und wenn sie
tauchen, sieht man nichts mehr als kerzengerade ihren Schwanz. Auch
die Gänse und Truthühner sind nicht leicht zu beaufsichtigen. Haha!
Ist es nicht lustig, sie watscheln zu sehen, ganz weiß die einen,
ganz schwarz die anderen, mit ihren langen Hälsen. Herren und Damen
würde man sagen. Auch denen da, rat ich dir, keinen Finger
anzuvertrauen. Mit einem einzigen Hieb würden sie ihn dir
abbeißen … Mir küssen sie die Finger, siehst du.«
    Das Wort wurde ihr abgeschnitten durch ein Freudengemecker der
Ziege, der es endlich gelungen war, die schlecht schließende Stalltüre aufzudrücken. Mit zwei
Sprüngen war das Tier bei ihr, beugte die Vorderbeine und liebkoste
sie mit den Hörnern. Der Priester fand ihr Aussehen teuflisch, mit
dem Spitzbart und den schräg gestellten Augen. Desiderata aber nahm
sie um den Hals, küßte sie auf die Stirn, tat, als ob sie
davonlaufen wollte und sprach davon, sich von ihr Milch geben zu
lassen. Sie täte das oft, bemerkte sie, wenn sie im Stall durstig
würde, legte sie sich nieder und sog an den Eutern.
    »Ei, voll von Milch,« fügte sie hinzu und hob die ungeheueren
Euter des Tieres.
    Der Abbé schlug die Augen nieder, als hätte man ihm eine
Unanständigkeit gezeigt. Er entsann sich, im Kreuzgang von Sankt
Saturnin zu Plassans eine Ziege als Wasserspeier gesehen zu haben,
die mit einem Mönch Unzucht trieb. Die Ziegen mit dem Bocksgeruch,
die dirnenhafte Launen und Lüste hatten und ihre hängenden Euter
dem erstbesten boten, waren für ihn höllische, geilheitschweißende
Kreaturen geblieben. Und er vermied, als er hinzutrat, die
Berührung mit dem langen seidigen Behang des Tieres und hütete
seine Sutane vor der Hörnernähe.
    »Ach, geh nur, ich gebe dich frei,« sagte Desiderata, die sein
wachsendes Unbehagen bemerkte. »Aber zuerst muß ich dir noch etwas
zeigen … Versprichst du, mich nicht auszuzanken? Ich habe dir
nichts davon gesagt, weil du nicht gewollt hättest … Wenn du
wüßtest, wie froh ich bin!«
    Sie begann zu schmeicheln, faltete die Hände und lehnte den Kopf
an die Schulter des Bruders.
    »Irgendeine neue Torheit,« murmelte dieser und konnte sich eines
Lächelns nicht erwehren.
    »Ich darf, nicht wahr?« fing sie wieder an,
mit freudeglänzenden Augen. »Du wirst nicht böse sein … Es ist
so wunderhübsch!«
    Sie lief und öffnete eine niedere Türe unter dem Schuppen. Ein
kleines Schwein hüpfte mit einem Satz in den Hof.
    »Oh, der süße Engel!« sagte sie mit dem Ausdruck tiefster
Seligkeit und sah ihm nach.
    Das kleine Schwein war allerliebst, ganz rosig, der Rüssel
blankgewaschen vom fettigen Spülwasser,

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