Die Sünde des Abbé Mouret
in
ihrer Brust, von rosigem Blut durchtropft. Hier war nicht mehr ein
Sinnbild verehrenden Gefühls, sondern eine Greifbarkeit, ein Wunder
von Zärtlichkeit, das ihm beim Beten vor dem Bildwerk die Hände
breitete, um in Frömmigkeit das der nackten Brust entsteigende Herz
entgegenzunehmen. Er konnte es sehen, er hörte es schlagen. Und
geliebt war er, das Herz schlug für ihn. Wie ein Ergriffensein
seines ganzen Wesens war es, ein Drang, das Herz zu küssen, in ihm
zu vergehen, sich mit ihm in der Tiefe dieser geöffneten Brust zu
betten. Tätig liebte sie ihn, daß sie ihn sogar in der Ewigkeit in
ihre Nähe erwünschte, ihr immerdar zugehörig. Wirksam liebte sie
ihn, ohne Unterlaß nahm sie sich seiner an, geleitete ihn überall,
half ihm die kleinste Untreue vermeiden. Sie liebte ihn zärtlich,
mehr als alle Frauen zusammen, mit einer blauen, tiefen, wie der
Himmel endlosen Liebe. Wo hätte er jemals eine gleich
begehrenswerte Geliebte zu finden vermocht? Welche Erdenliebkosung
war vergleichlich diesem Marienhauch, in dem er dahinging? Welche
elende Verschmelzung, welcher ekle Genuß konnte in die Wagschale
gelegt werden mit dieser Blume ewigen Begehrens, die, immer höher
strebend, nie sich entfaltet. Dann atmete er das Magnifikat aus,
wie eine Weihrauchwolke. Er sang den Freudensang Mariä, ihr
bebendes Entzücken beim Nahen des himmlischen Bräutigams. Er lobte
den Herrn, der die Mächtigen von ihren Hochsitzen stieß, und der
ihm Maria sandte, ihm, dem armen, bloßen Kinde, das in Liebe
erstarb auf der eisigen Diele seiner Zelle.
Und als er alles Maria hingegeben hatte, seinen Leib, seine
Seele, sein irdisches Gut, als er nackt vor ihr stand, am Ende aller Gebete, traten über seine verbrannten
Lippen die Litaneien zur Jungfrau mit ihren sich wiederholenden,
hartnäckigen, eifernden Anrufungen. Es war ihm, als erklömme er
eine Stufenleiter des Verlangens; bei jedem Springen seines Herzens
stieg er eine Stufe empor. Erstlich nannte er sie heilig. Dann rief
er sie Mutter, reinste, sehr keusche, liebenswerte,
bewunderungswürdige. Und mit neuerlichem Schwung begann er, rief
sechsfach ihre Jungfräulichkeit über sie aus, bei jedem Sprechen
des Wortes »jungfräulich« war ihm der Mund wie erfrischt, er fügte
Vorstellungen hinzu von Macht, Güte, Treue. Je mehr sein Herz ihn
nach oben entführte, auf überlichteten Stufen, ließ eine Stimme
sich in ihm vernehmen, die in glühendem Blühen sich entfaltete. In
Düfte hätte er sich auflösen mögen, in Klarheit dahinziehen,
verhauchen in tönendem Seufzer. Indem er sie Spiegel der
Gerechtigkeit, Tempel der Weisheit, Quelle seiner Freuden nannte,
erblickte er sich, bleich vor Ekstase in diesem Spiegel, kniete
nieder auf den wohligen Fliesen dieses Tempels, trank in langen
Zügen den Rausch dieser Quelle. Und noch anders wandelte er sie und
ließ seinem zärtlichen Wahnsinn die Zügel schießen, um sich ihr
immer enger verbinden zu können. Ein gotterlesenes Gefäß war sie
ihm, ein auserlesener Schoß, in den er sein Wesen zu ergießen
wünschte zu ewiger Ruhe. Sie war die mystische Rose, eine große
Blume, im Paradies erstanden, aus den Engeln gebildet, die ihre
Königin umgeben, so rein und duftvoll, daß er sie eratmete aus der
Tiefe seines Unwertes mit schwellender Beglücktheit, die seine
Rippen erklirren ließ. Sie verwandelte sich in ein goldenes Haus,
Davids Turm, Turm aus Elfenbein, von unschätzbarer Kostbarkeit, von einer Reinheit, die die Schwäne
neiden, hochgerundet, stark, aus seinen Armen hätte er ihr einen
Gürtel umlegen wollen aus Unterwerfung. Aufrecht hielt sie sich am
Horizont, Himmelspforte war sie, die er hinter ihren Schultern
wahrnahm, wenn ein Wehen ihren Schleier hob. Sie ging auf hinter
dem Gebirge, zur Stunde der Nachtbleiche, als Morgenstern, Hilfe
der verirrten Wanderer, Liebesdämmerung. In diesen Höhen sodann,
versagenden Atems, noch ungesättigt, wurden Worte zu klein für die
Gefühlskraft seines Herzens, es blieb ihm nichts mehr als die
Verherrlichung der Königin, wie neunmaliges Schwingen des
Weihwasserkessels streute er sie neunmal aus. Sein Lobgesang
erstarb in Fröhlichkeit bei den Ausrufen höchster Erhebung: Königin
der Jungfrauen, aller Heiligen Königin, ohne Schmach empfangene
Königin. Sie erglänzte in immer höherer Höhe, er, auf der letzten
Stufe, der Stufe, die einzig erklommen wird von Marias Vertrauten,
zauderte dort einen Augenblick, seiner Sinne kaum mächtig in der
Dünne dieser Luft, die ihn
Weitere Kostenlose Bücher