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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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um die Annahme seines Opfers. Während der vier letzten
Tage ergriffen ihn Ängste, Bedenken schrecklicher Art, die ihn
mitten in der Nacht aus dem Bett trieben und ihn die Türe bestürmen
ließen irgendeines Karmeliters, der die Retraite leitete, öfter ein
bekehrter Protestant, über den Wunderbares geraunt wurde.
Umständlich legte er ihm die Generalbeichte seines Lebens ab,
Schluchzen unterbrach seine Rede. Erst die Absolution beruhigte
ihn, erfrischte ihn wie ein Gnadenbad. Am Morgen des großen Tages
war er ganz weiß; er empfand diese Weiße so lebhaft, daß es ihm
schien, als ginge ein Schimmer von ihm aus. Klarstimmig läutete die
Seminarglocke, und der Juniduft der blühenden Wicken, Reseden und
Heliotropen klomm über die steile Hofmauer. Die Verwandten warteten
in der Kapelle, festlich gekleidet und so gerührt, daß die Frauen
unter ihren Schleiern schluchzten. Dann kam der Zug Diakone, der
die Priesterschaft empfangen sollte, im goldenen Meßgewand; die
Unterdiakone in der Dalmatika, Tonsurierte mit
schulterüberwallendem Chorhemd, das schwarze Barett in der Hand.
Die Orgel dröhnte, erhob sich zu Flötengetön eines Jubelsanges. Am
Altar waltete der Bischof seines Amtes, den Krummstab in der Hand,
unterstützt von zwei Domherren. Das Domkapitel war zugegen, die
Priester aller Pfarreien drängten sich in ungeheuerem Reichtum von
Gewändern, Gefunkel von Gold, das aufglitzerte im bunten
Sonnenstreif, der durch ein Fenster des Seitenschiffes fiel. Nach
dem Verlesen der Epistel begann die Weihe.
    Noch in dieser Stunde entsann sich der Abbé Mouret der Scherenkälte, als er mit der Tonsur gezeichnet
wurde im Beginn des ersten Jahres seiner theologischen Studien. Ein
leichter Schauder hatte ihn überrieselt. Aber damals war die Tonsur
ganz klein, kaum von der Größe eines Zweigroschenstückes. Bei jeder
späteren Weihe hatte sie sich erweitert, immer mehr, bis sie als
weißer Flecken von Hostiengröße auf seinem Scheitel lag. Und
sanfter tönte die Orgel, die Räucherfässer schaukelten
silberklirrend an ihren Ketten; weißes Rauchgewölk entquoll ihnen,
das sich wie Spitzenmuster entfaltete.
    Er sah sich im Chorhemd als junger Tonsurierter vom
Zeremonienmeister zum Altar geleitet; er kniete nieder, neigte tief
das Haupt, während der Bischof mit goldener Schere ihm drei
Haarflocken abschnitt, eine über der Stirne, die beiden anderen
über den Ohren.
    Ein Jahr später erblickte er sich wieder in der
weihraucherfüllten Kirche bei Empfang der vier weiteren Weihen: von
einem Erzdiakon geführt, schloß er krachend die große Pforte und
öffnete sie dann zum Zeichen, daß er zum Wächter der Kirche
eingesetzt sei; ein silbernes Glöcklein läutete er mit der rechten
Hand, um zu verkünden, es sei ihm zur Pflicht gemacht, die
Gläubigen herbeizurufen zum Gottesdienst; er schritt zurück zum
Altar, wo der Bischof ihm neue Gerechtsame übertrug, die Lehren
vorzutragen, das Brot zu segnen, die Kinder zu unterweisen, den
Teufel auszutreiben, die Diakonen zu bedienen, die Kerzen
anzuzünden und auszulöschen. Weiter kam ihm die Erinnerung an die
folgende Weihe, feierlicher, erschreckender, vom gleichen Orgellied
umweht, dessen Dröhnen Gewitter Gottes selbst zu sein schien; an
diesem Tage lag auf seiner Schulter die Dalmatika der
Unterdiakonen; er versprach sich
unwiderruflich durch das Keuschheitsgelübde, Zittern befiel ihn
seiner Gläubigkeit zum Trotz beim schreckerregenden
»
Accedite
« des Bischofs, das zwei seiner Kameraden
erblassend von seiner Seite in die Flucht trieb. Seine neuen
Pflichten waren, den Priester am Altar zu bedienen, die heiligen
Gefäße vorzubereiten, die Epistel zu singen, den Kelch
abzutrocknen, das Kreuz zu tragen bei Prozessionen. Endlich zog er
ein letztes Mal in die Kapelle ein beim Scheinen der Junisonne;
diesmal aber ging er an der Spitze des Zuges, das Chorhemd war ihm
um die Mitte gegürtet, die Stola auf der Brust gekreuzt, über
seinen Schultern hing das Meßgewand. Tiefbewegt blickte er auf in
das blasse Gesicht des Bischofs, der ihm die Priesterweihe gab, die
Fülle priesterlichen Amtes, durch dreimaliges Handauflegen. Nach
Leisten des Schwures kirchlichen Gehorsams war ihm, als würde er
von den Steinen emporgehoben, während die volle Stimme des Prälaten
die lateinische Formel sprach:
    »
Accipe Spiritum sanctum: quorum remiseris peccata,
remittuntur eis, et quorum retineris, retenta sunt
.´´

Kapitel 14
     
    Alles Heraufbeschwören der großen Glückseligkeit

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