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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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dann menschliche Dünste, die die Luft vom Artaud herauftrug,
die faden Gerüche des Kirchhofes, die Weihrauchdüfte der Kirche,
durch die Ausdünstungen der Mädchen mit ungewaschenen Haaren
verändert; noch anders hob sich vom Misthaufen der Brodem vom
Wirtschaftshof, die betäubenden Gärungskeime. Und alle diese
Ausatmungen strömten zusammen in schweren Qualm, so übermächtig
sich verdichtend, daß er zu ersticken glaubte. Er verschloß seine
Sinne, versuchte sie abzutöten. Aber Albine tauchte wieder vor ihm
auf wie eine große Blüte, schön erstanden aus diesem
Fruchtboden. Sie war die natürliche Blüte
dieser Unsauberkeiten, sonnenzart, ihre jungknospende Schulterweiße
erschließend, so lebensfroh, daß sie von ihrem Stengel sprang und
seinen Lippen zuflog, ihn mit ihrem hallenden Lachen
überduftete.
    Der Priester stieß einen Schrei aus. Er hatte einen Brand an
seinen Lippen gespürt. Wie ein Feuerstrahl war es ihm durch die
Adern gezuckt. Da warf er sich schutzsuchend auf die Knie vor der
Figur der unbefleckten Empfängnis und rief mit gefalteten
Händen:
    »Heilige Jungfrau der Jungfrauen, bitte für mich!«

Kapitel 15
     
    Die unbefleckte Empfängnis auf der Nußbaumkommode lächelte
zärtlich mit schmalgewundenen, karmin gezeichneten Lippen. Sie war
klein und ganz weiß. Ihr großer weißer Schleier, der vom Kopf bis
zu den Füßen niederfiel, war mit kaum sichtlichen Goldstreifen
gerandet.
    In langen Falten umwogte ihr Gewand den geschlechtslosen Körper,
war bis zum Hals geschlossen, ließ aber den anmutigen Hals frei.
Nicht eine einzige Locke ihrer kastanienbraunen Haare kam zum
Vorschein. Ihr Gesicht war rosig, helle blaue Augen sahen
himmelwärts; rosige Hände faltete sie, Kinderhände, deren Spitzen
in den Schleierfalten zu sehen waren über der blauen Schärpe die
sich ihr um die Mitte wie zwei Flatterenden blauen Himmels wand.
Keiner ihrer weiblichen Reize bot sich dem Blick, außer ihren
Füßen, anbetungswürdig nackten Füßen, die über dem mystischen
Rosenweg schwebten. Und auf den bloßen Füßen sproßten ihr goldene
Blumen als eingeborenes Blühen ihres zweimal reinen Leibes.
    »Standhafte, unerschütterliche Jungfrau,
bitt' für mich!« entrang es sich verzweiflungsvoll dem
Priester.
    Diese Gestalt hier hatte ihn noch nie beunruhigt. Sie war noch
nicht Mutter; ihre Arme hielten ihm Jesus nicht entgegen, ihr Umriß
hatte nicht die Fruchtrunde. Nicht als Himmelskönigin erschien sie,
die goldgekrönt, goldgekleidet gleich Erdenherrscherinnen
niederstieg, siegreich getragen von cherubinischem Flug. Diese hier
hatte ihn nie geschreckt, ihn nie angesprochen mit der Strenge
einer allmächtigen Herrin, deren Anblick allein genügt, um die
Stirnen in den Staub zu biegen. Er wagte es, sie zu betrachten, sie
zu lieben, ohne fürchten zu müssen, gerührt zu werden durch die
Welle ihrer kastanienbraunen Haare; nur ihre Füße konnten ihn
rühren, ihre Liebesfüße, die wie ein Garten der Keuschheit
erblühten, zu wunderbar, als daß er sich nachgegeben und sie mit
Liebkosungen bedeckt hätte. Mit ihrem Lilienhauch durchduftete sie
das Zimmer. Die Silberlilie war sie, gepflanzt in goldenes Gefäß,
die unschätzbar reine, die ewig unversehrbare. Ihr weißer,
enghüllender Schleier umgab nichts Menschliches mehr, nur eine
jungfräuliche Flamme, die in immer gleichem Lichte brennt. Abends
beim Zubettegehen, morgens beim Erwachen, stand sie vor ihm mit
demselben verklärten Lächeln. Ohne irgendwelche Scheu ließ er vor
ihr seine Kleider fallen, so wie vor seiner eigenen
Schamhaftigkeit.
    »Reinste Mutter, keuscheste Mutter, jungfräuliche Mutter, bitt'
für mich!« stammelte er angstvoll, die Füße der Jungfrau
umschmiegend, als hätte er hinter sich das hallende Rasen Albines
vernommen.
    »Du bist meine Zuflucht, die Quelle meiner Freuden, der Tempel
meiner Vernunft, der Elfenbeinturm, der meine Reinheit umschließt. Ich befehle mich in deine
unbemakelten Hände, ich flehe dich an, mich hinzunehmen, mich zu
decken mit einem deiner Schleierflügel, mich zu verbergen in deiner
Unschuld, hinter der geheiligten Schranke deiner Gewänder, auf daß
der Atem fleischlicher Begier mich dort nicht ereile. Ich bin in
Not nach dir, ich sterbe ohne dich, auf immer werde ich von dir
gerissen sein, wenn du mich nicht umarmest in hilfreicher Umarmung,
weit von hier, mitten in der glühenden Weiße deiner Wohnung.
Sündlos empfangene Maria, laß mich hinschwinden unter der
schneeigen Unberührtheit, die von

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