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Die Sünde des Abbé Mouret

Die Sünde des Abbé Mouret

Titel: Die Sünde des Abbé Mouret Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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das, was meine Arbeit, meine
Gebete, meine fünf Jahre langsamen
Eindringens nicht aus mir machen konnten. Ja, ich verneine das
Leben: ich sage, der Tod der Art sei vorzuziehen den unaufhörlichen
Greueln, die sie verbreitet. Die Sünde besudelt alles. Der Gestank
allgemeiner Unlauterkeit verdirbt die Liebe, durchgiftet das
eheliche Gemach, die Wiege der Neugeborenen, ja, alles, bis zu den
Blumen, die in der Sonne schmachten, bis zu den Bäumen, die ihre
Knospen aufspringen lassen. Die Erde ist gebadet in diesen Sud,
dessen kleinste Tropfen ausarten in schändliches Wachstum. Damit
ich vollkommen werde, o Königin der Engel, Königin der Jungfrauen,
erhöre mein Schreien, erhöre es! Gib, daß ich einer der Engel
werde, die nur aus zwei Flügeln bestehen neben den Wangen; keinen
Rumpf hätte ich mehr, keine Glieder, ich flöge zu dir, riefest du
mich; ich wäre lediglich ein dir lobsingender Mund, ein
fleckenloses Flügelpaar, das deine Himmelfahrten umfächelte. Oh,
den Tod, den Tod, verehrungswürdige Jungfrau, gib mir den Tod! Ich
liebte dich im Sterben meines Körpers, im Tod dessen, was sich
mehren kann. Ich vollzöge mit dir die einzige Hochzeit, die mein
Herz ersehnt. Ich stiege höher, immer höher, bis daß ich die Flamme
erreicht hätte, da du glänzest. Ein großer Stern ist dort, eine
riesige weiße Rose, deren jegliches Blatt mondhaft leuchtet, ein
Silberthron, von dem du so feurige Unschuldsstrahlen versendest,
daß der paradiesische Garten ganz allein erleuchtet wird von deinem
Schleier. Alles Weiße ergießt sich über deine Füße, die
Morgendämmerungen, der Schnee unerreichbarer Höhen, kaum
erschlossene Lilien, Wasser unbekannter Quellen, Milch
sonnenverschönter Pflanzen, das Lächeln der Jungfrauen, Seelen
wiegengestorbener Kinder.
    Also höbe ich mich auf zu deinen Lippen, wie
ein zartes Flackern; ich dränge in dich ein, durch deinen
leichtgeöffneten Mund, und die Verschmelzung vollzöge sich, unsere
Freuden durchbebten die Erzengel. Oh, jungfräulich sein, sich
jungfräulich lieben und inmitten süßester Liebkosung die
jungfräuliche Weiße sich bewahren! Ganz Liebe zu sein, auf
Schwanenfittichen gebettet, in einer Wolke von Reinheit, in den
Armen einer Lichtgeliebten, deren Küsse Seelenfreuden sind!
    Vollkommenheit, übermenschlicher Traum, knochenschütterndes
Verlangen, Freuden, die mir den Himmel auftun! Oh, Maria,
auserwähltes Gefäß, entmanne den Menschen in mir, mach mich zum
Verschnittenen unter den Männern, damit du mir furchtlos
auszuliefern vermagst den Schatz deiner Jungfräulichkeit!«
    Und zähneklappernd, vom Fieber gebrochen, stürzte der Abbé
Mouret besinnungslos nieder auf die Fliesen.

Teil 2

Kapitel 1
     
    Die sorgfältig zugezogenen Kattunvorhänge vor den breiten
Fenstern erfüllten das Zimmer mit gedämpfter Weiße jungen Tages.
Das Zimmer war hoch, sehr geräumig, und die Einrichtung bestand aus
alten, weiß lackierten Louis-XV.-Möbeln, mit Bezügen, rotblumig auf
Streugeblätter. Über Pfeilerspiegeln und den beiden Türen zur Seite
des Alkovens konnte man noch die gemalten rosigen Gliederchen
kleiner Liebesgötter erkennen, die in Scharen flatterten und sich
mit genau nicht mehr feststellbaren Spielen vergnügten, während die
in länglich runden Feldern angeordneten Holzverkleidungen der
Wände, die Flügeltüren, das ehemals azurblaugrundige Deckengewölbe,
zierlich umrahmt und beschleift, umschlungen von zartlachsfarbenen
Bändern, sich in sehr sanftem Grau verloren, einem Grau, das die
zarte Empfindsamkeit dieses welken Paradieses bewahrte. Der große
Alkoven der Fensterwand gegenüber öffnete sich unter
Wolkenschleiern, die Amoretten aus Stuck, sich neigend und
überschlagend auseinanderrafften, wie, um keck das Bett zu
betrachten. Fenster wie Alkoven waren mit kattunenen, grobgenähten
Vorhängen behangen, deren Einfalt sich
verwunderlich ausnahm inmitten dieses Zimmers, dem lauer Duft
vergangener Wollüste anhaftete.
    Albine saß neben einem Spiegeltisch, auf dem ein Teekessel über
Spiritus kochte, und betrachtete aufmerksam die Vorhänge des
Alkovens. Sie war in Weiß gekleidet, ein Tuch aus alten Spitzen
umschlang ihr Haar, sie ließ die Hände baumeln und hielt Wache in
der Haltung eines erwachsenen Mädchens. Schwaches Atmen, wie das
Seufzen eines müden Kindes, ließ sich in der großen Stille
vernehmen, nach Ablauf einiger Minuten aber wurde sie unruhig und
konnte sich nicht enthalten, mit leisen Schritten hinzugehen und
eine Ecke des

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