Die Sünde
aus. Ihm fiel sofort auf, dass sie ihre kurzen, blonden Haare etwas anders frisiert hatte. Ihr Pony mit Seitenscheitel wirkte noch pfiffiger als sonst. Sie hatte einen engen, lilafarbenen Rock an, der eine Handbreit über dem Knie endete und ihre Hüften sehr vorteilhaft zur Geltung kommen ließ. Dazu trug sie eine passende Halbarm-Bluse aus weißer Seide mit hochgeschlossenem Dekolleté. Die dünnen Nylonstrümpfe hatten einen leichten Lilaton, während die Wildleder-Pumps von kräftiger und gleicher Farbe wie der Rock waren.
»Hallo, Jürgen, entschuldige, dass ich dich nicht gleich begrüßen konnte. Ich musste aufpassen, dass die Herzmuscheln nicht überkochen.«
»Das macht doch nichts«, gab Nawrod etwas schüchtern zur Antwort.
»Oh, sind die für mich?« Sie deutete mit dem Kinn auf die Blumen.
»Nein, eigentlich nicht.« Nawrod grinste breit. »Ich habe heute noch ein Date und die Dame steht auf so etwas.« Er deutete mit dem Finger auf den Strauß.
»Ich aber auch!«, protestierte sie lachend.
»Ist das dein Ernst?«
»Selbstverständlich! Mit so etwas spaßt man nicht.«
»Ja, wenn das so ist, dann … dann bitte schön!« Nawrod streckte Sabine Bauer mit etwas ungelenker Bewegung, dafür aber mit schelmischen Augen, den Strauß entgegen. Als sie eine Hand am Tablett losließ, um die Rosen entgegenzunehmen, wären fast die beiden Gläser umgefallen. Sie konnte sie gerade noch ausbalancieren.
»Freut mich sehr, dass du gekommen bist. Würdest du mir mal das Tablett abnehmen, damit ich den Strauß gleich in eine Vase stellen kann?«
Nawrod nahm das Tablett und stellte es auf dem Sideboard ab, das sich in Reichweite neben ihm befand. Sabine Bauer ging zu einem kleinen Schränkchen und holte eine hübsche Vase heraus, die sie in der Küche mit Wasser füllte.
Den Strauß stellte sie auf eine Ecke des Esszimmertisches. Danach ging sie zum Sideboard, nahm beide Gläser vom Tablett und reichte eines davon Nawrod. »Auf was wollen wir anstoßen?«
Da war wieder dieser Blick. Die warmen, braunen Augen verzauberten ihn für den Bruchteil einer Sekunde und machten ihn wehrlos. »Ich … ich weiß nicht.« Er fühlte sich hilflos wie ein kleiner Junge. »Ich … stoßen wir darauf an, dass wir diese Bestien bald zur Strecke bringen können.«
Sabine lachte. »Nein, darauf stoße ich nicht an. Wir sollten heute Abend ausnahmsweise mal nicht an unseren Job denken, sondern ganz allein auf uns und die kommenden Stunden anstoßen.«
»Entschuldige! Natürlich sollten wir … aber du weißt ja, wie das ist. Es verfolgt einen Tag und Nacht.«
Sabine Bauer stieß sanft ihr Glas an das von Nawrod. Ein leises Klirren war zu hören. Sie sahen sich lächelnd in die Augen. »Auf uns und auf einen schönen Abend.«
»Ja, auf uns!«
Der Champagner schmeckte vorzüglich. Nawrod wagte nicht zu fragen, um welche Marke es sich handelte. Er wollte sich nicht blamieren. Wahrscheinlich, so dachte er, müsste er ihn allein am Geschmack erkennen. Sicher war es eine ganz besondere Sorte. Sabine stellte ihr Glas ab.
»So, jetzt muss ich mir wieder die Schürze umbinden und mich um das Essen kümmern. Mach es dir so lange bequem.«
Nawrod ließ sich wieder auf dem Sofa nieder. Kaum saß er, stand er auch schon wieder auf, um sich das Bild noch einmal anzusehen. Es zeigte eine junge Frau mit lockigen, rötlich schimmernden Haaren, die weit über die Schultern fielen. Nein, es war noch ein Mädchen. Es stand auf einer schmalen Holzbrücke. Im Hintergrund befanden sich Bäume und bunte Sträucher. Das Mädchen hielt sich mit einer Hand am Geländer fest. Die andere fasste unterhalb der Hüfte in eine Falte ihres weißen, mit Spitzen besetzten Kleides. Der Maler hatte es verstanden, ein Übermaß an Anmut und schlichter Schönheit auf die Leinwand zu bannen.
Sabine hatte den Esszimmertisch sehr hübsch gedeckt. Die Tischdecke passte zu den Servietten und vor allem auch zu dem Geschirr. Sogar die beiden kleinen Kerzenhalter waren vom gleichen Porzellan. Nawrod musste schmunzeln. Frauen sind einfach anders als Männer. Sie haben in solchen Dingen viel mehr Geschmack. Darüber hatte er sich schon oft Gedanken gemacht. Irgendwann war er zu der Erkenntnis gekommen, das habe wohl damit zu tun, dass in der Natur die meisten Weibchen für den Nestbau verantwortlich seien, während sich die Männchen sonst wo herumtrieben.
Das Essen war ein Hochgenuss. Nawrod hatte das Gefühl, in seinem Leben noch nie besser gegessen zu haben. Der
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