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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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hinzurechnen, denn ich glaube kaum, dass Haiders Schwester oder seine gebrechliche Mutter, geschweige denn der ebenso alte und gehbehinderte neue Paketaufgeber, mit der Entführung Radeckes unmittelbar zu tun hatten. Sie werden auch nicht diejenigen sein, die die Opfer gefangen halten und verstümmeln.«
    »Wenn überhaupt, könnte man diese Schweinerei am ehesten noch dem Skinhead zutrauen«, warf Nawrod ein.
    »Nicht alle Skinheads sind Verbrecher. Ich glaube, die Allerwenigsten. Du liegst falsch, wenn du glaubst, dass ein kahlrasierter Schädel, Tätowierungen und Piercings sichere Zeichen dafür sind, dass der Betroffene Straftaten begeht oder gar Menschen verstümmelt.«
    »Ich frage mich nur, warum die Täter ihre Forderung nicht direkt an uns geschickt haben«, sinnierte Wegner.
    Nawrod rieb sich am Kinn. »Da gibt es für mich nur einen Grund: Sie wollten verhindern, dass wir die Forderung geheimhalten, so wie wir es bei Erpressungen meistens machen.«
    »Uhl meint, die Täter würden mit den lateinischen Botschaften zwar bestimmte Hinweise geben, aber hauptsächlich gehöre das zu ihrem Katz-und-Maus-Spiel, das sie mit der Polizei respektive mit Ihnen treiben«, fuhr Wegner fort. »Sie finden Gefallen daran, uns Rätsel aufzugeben. Uhl ist sich sicher, dass die Täter irgendwann erklären, was sie mit den Botschaften konkret meinen. Deshalb haben sie die lateinischen Sätze, die allesamt aus der Bibel stammen, nicht in der Presse verbreitet. Sie wollen uns, die Polizei, als unfähigen Apparat vorführen.«
    »Haider, der nach Aussage seiner Ex-Frau Latein gelernt hat, ist meiner Meinung nach für das Verfassen der obskuren Botschaften, aber auch für die Presseartikel zuständig, während Pfaff mit seiner Tageszeitung für die Veröffentlichung sorgt«, ergänzte Yalcin.
    Nawrod nickte. »Das haben die Burschen clever gemacht. Sie hatten immer so weit Vorsprung, dass sie niemand einholen und an ihrem Vorhaben hindern konnte.«
    »Sicher hatten sie von Anfang an geplant, sich hinter Artikel 5 des Grundgesetzes zu verstecken, sollte ihnen die Polizei auf die Schliche kommen«, brummte Wegner frustriert. »Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung ist eines der höchsten Güter einer Demokratie. Deshalb wird uns kein Staatsanwalt oder Richter einen Durchsuchungsbeschluss oder gar Haftbefehl gegen die beiden ausstellen.«
    »Aber es muss doch wenigstens die Möglichkeit geben, die Veröffentlichung dieses Artikels zu verhindern«, ereiferte sich Yalcin.
    Wegner schüttelte den Kopf. »Artikel 5, Absatz 1, letzter Satz: Eine Zensur findet nicht statt. Damit ist wohl alles gesagt, junge Kollegin.«
    »Das wollen wir doch mal sehen«, presste Nawrod entschlossen hervor. »Ich pfeif auf die Pressefreiheit, wenn das Leben eines Menschen auf dem Spiel steht. Wir müssen uns Haider und Pfaff vorknöpfen, solange noch eine Chance besteht, Radecke zu retten. Denn ich glaube kaum, dass der Vatikan auf die Forderung der Täter eingehen wird.« Nawrod sprang von seinem Stuhl auf. »Melden Sie mich bitte bei Staatsanwalt Brügge an. Sagen Sie ihm, dass ich in zehn Minuten bei ihm auf der Matte stehe!« Und zu Yalcin gewandt: »Würdest du mich bitte begleiten? Wenn es hart auf hart geht, brauche ich womöglich eine Zeugin, die vor Gericht für mich aussagt.« Nawrod grinste verbissen.
    »Ihren Eifer in Ehren, Nawrod. Aber bei Brügge werden Sie kein Glück haben. Der wird seinen Kopf weiter in den Sand stecken.«
    »Tun Sie mir einfach den Gefallen und melden uns an!« Mit diesen Worten verließen Nawrod und Yalcin Wegners Büro. Nawrod hörte noch, wie ihm der Soko-Leiter laut hinterherrief, er solle zurückkommen, aber das scherte ihn nicht.
    Kurze Zeit später klopften sie an Brügges Amtszimmer. Nach ein paar Sekunden fiel das zweite Klopfen etwas lauter aus. Anschließend drückte Nawrod die Klinke nach unten. Die Tür war verschlossen. Nawrod grinste. »Sehr gut, der Vogel ist ausgeflogen.«
    »Was ist daran gut?«, wunderte sich Yalcin.
    »Das wirst du gleich sehen«, erwiderte Nawrod. Er ging zwei Büros weiter, sah auf das Türschild, klopfte und trat ohne zu zögern ein.
    »Guten Tag, Frau Graf. Mein Name ist Nawrod und ich möchte …«
    »Tut mir leid«, flötete die Geschäftszimmerdame. »Staatsanwalt Brügge hat gerade eben das Haus verlassen. Er wird heute auch nicht mehr zurückkommen. Sie müssen sich also bis morgen gedulden.«
    »Oh, das ist aber schade! Und wir haben uns so beeilt. Was

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