Die Sünde
Grundbesitze warteten nicht auf den neuen Papst, sondern auf die Horden unter ihm, die neuen Machthaber in der Kurie und ihre jeweiligen Klüngel im Schlepptau. Sie waren es, denen vor Gier schon der Speichel aus dem Mund lief.
Pfaff und Haider versuchten, das Fell des Bären so teuer wie nur möglich zu verkaufen. Den ganzen Tag über nahm man Anrufe von Vertretern anderer Zeitungen und diverser Nachrichtensender entgegen und verhandelte mit ihnen oder man besprach sich über das weitere Vorgehen.
Ähnlich wie im Vatikan hatten der Artikel der Heidelberger Allgemeinen sowie die nachfolgenden Radio- und Fernsehberichte auch im Polizeipräsidium eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Bundes- und Landesinnenminister trafen gegen 15 Uhr mit Helikoptern ein und ließen sich vor Ort von Polizeipräsident Volker Lehmann und Soko-Leiter Kurt Wegner unterrichten. Beide Politiker ließen ein Gewitter von Anschuldigungen auf Lehmann und Wegner niederprasseln, das seinesgleichen suchte. Ergebnis der fast zweistündigen Besprechung war, dass man nun wirklich alles Menschenmögliche tun müsse, um die Mörder endlich zur Strecke zu bringen. Für das bisherige Dilemma müsse der Presse und breiten Öffentlichkeit zudem der Kopf eines Verantwortlichen auf dem Silbertablett präsentiert werden. Natürlich fiel die Wahl sofort auf Nawrod. Er war es ja auch, der auf Biegen und Brechen die Verhaftung der beiden Journalisten und die Durchsuchungen ihrer Wohnungen und Büros durchgesetzt hatte. Eine Suspendierung Nawrods würde die Gemüter erst einmal beruhigen. Auf ihn könnte man alle Vorwürfe der nächsten Tage abladen.
»Auf ihn und dieser Kommissaranwärterin«, meinte der Landesinnenminister. »Wie heißt sie doch gleich?«
»Nesrin Yalcin«, antwortete Wegner. »Aber die junge Kollegin kann doch …«
»Zwei Köpfe sind besser als einer«, schnitt ihm der Minister das Wort ab und hob die Augenbrauen. »Die junge Dame ist wohl türkischer Herkunft?«
»Ja, das ist sie. Aber …«
»Ihre Familie wird sie auffangen. Das haben uns diese ethnischen Minderheiten in Deutschland voraus. Die halten zusammen wie Pech und Schwefel.«
»Wir geben das so an die Presse, als ob die ganze Aktion ein Alleingang von den beiden gewesen wäre. Hoffen wir, dass diese Meute von Hyänen sich damit zufriedengibt«, fügte der Bundesinnenminister hinzu. »Und Ihnen beiden rate ich dringend, den Fall in den nächsten Tagen aufzuklären.«
»Das wird nicht leicht sein«, antwortete Lehmann.
»Wir haben es mit mehreren intelligenten Tätern zu tun, die vor nichts zurückschrecken«, ergänzte Wegner.
Die Augen des Ministers wirkten kalt wie die eines Tigerhaies. »Ich werde mich nicht scheuen, Sie Ihres Amtes zu entheben, Herr Lehmann. Und Sie, Herr Wegner, werde ich in den vorzeitigen Ruhestand schicken, wenn der Fall nicht binnen einer Woche aufgeklärt ist.«
47
Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und musste nun für das Desaster die Verantwortung übernehmen. Die Suspendierung war die logische Folge seines Versagens. Daran gab es selbst für ihn nichts zu rütteln. Mit gesenktem Kopf hörte er sich Lehmanns kurze Begründung an. Anschließend wurde er von Wegner in dessen Büro gebeten. Dort bat der Soko-Leiter Nawrod um seine Pistole und den Dienstausweis. Nawrod zögerte. Die Aufforderung ging wie ein Stich durch seinen ganzen Körper. Es war ein Schmerz, undefinierbar, weil nicht physisch verursacht, aber ein Schmerz, der richtig weh tat. Und plötzlich fühlte er sich in eine dunkle Schlucht hinuntergestürzt, wartend auf den harten Aufprall, auf das Ende seines Polizistendaseins. So konnte nur jemand fühlen, der sich mit Leib und Seele dem Beruf des Kriminalbeamten verschrieben hatte.
Wegner sah Nawrods tiefe Betroffenheit. Er ahnte, was in seinem Mitarbeiter vorging. »Sobald der Sturm vorüber ist, sehen wir uns wieder. Bis dahin verhalten Sie sich ruhig. Fahren Sie nach Hause oder setzen Sie sich in den Flieger und machen irgendwo Urlaub. Und bitte, keinen Kontakt zur Presse! Unter keinen Umständen! Haben Sie mich verstanden?«
Nawrod zog die Pistole aus dem Gürtelhalfter und legte sie zusammen mit Dienstausweis und Marke auf Wegners Schreibtisch.
»Wir werden das Kind schon schaukeln«, fuhr Wegner fort. »Vor zehn Minuten kam das Ergebnis der DNA -Untersuchung. Philipp Otte war wohl das erste Opfer des Mörders.«
»Und Radecke wird der nächste Tote sein.« Wut schwang in Nawrods Stimme.
»Wenn wir den Kerl nicht
Weitere Kostenlose Bücher