Die Sünde
bevor er sie Goll zur Fesselung entgegenstreckte. »Meine Herren, ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen.«
Die Kommissare sahen sich fragend an. Goll zog die Handschellen aus dem Gürtel. Faber schüttelte den Kopf und presste verärgert hervor: »Den Gefallen tun wir Ihnen nicht, Herr Pfaff.« Er ging um den Tisch herum und fasste den Redakteur am Oberarm. Schweigend verließen sie das Vernehmungszimmer. Sie brachten Pfaff in einen Warteraum und boten ihm einen Kaffee an, den er dankend ablehnte. Während Goll bei ihm blieb, ging Faber schnurstracks zu Wegner und erstattete Bericht. Der Soko-Leiter hatte von Nawrod schon erfahren, was Haider zu seiner Verteidigung hervorgebracht hatte.
»Wenn es stimmt, was Pfaff und Haider sagen, dann Gnade uns Gott«, stöhnte Wegner. »Sie werden uns in Stücke reißen!«
»Was sollen wir mit Pfaff machen? Sollen wir ihn einsperren?«
»Auf keinen Fall! Ich habe veranlasst, dass sämtliche Nachrichten auf Haiders Handy sowie die E-Mails auf den beschlagnahmten PC s noch heute Nacht auszuwerten sind. Bis wir Klarheit haben, müssen Pfaff und Haider allerdings noch hierbleiben. Nawrod und Yalcin haben die Order erhalten, Haider aus der Zelle zu holen und es ihm so angenehm wie möglich zu machen. Das Gleiche gilt für Pfaff.« Wegner fasste sich an die linke Brustseite. Er atmete tief durch, bevor er müde sagte: »Als ob ich es geahnt hätte!«
Es dauerte nicht lange, bis feststand, dass Haider und Pfaff zumindest hinsichtlich ihrer Mail-Kontakte die Wahrheit gesagt hatten. Weiter ergaben die Nachforschungen, dass auf Haiders iPhone keine Daten oder SMS gespeichert waren, die auf ihn als Täter hingedeutet hätten. Der Anschluss war ordnungsgemäß auf Haider angemeldet.
Bei dem anderen Handy handelte es sich um ein billiges No-Name-Produkt unbekannter Herkunft. Es konnte nur so viel in Erfahrung gebracht werden, dass die darin enthaltene Prepaid-Karte aus Tunesien stammte. Eine über Interpol gesteuerte Anfrage bei den tunesischen Sicherheitsbehörden ergab, dass Karte und Handy höchstwahrscheinlich auf dem Schwarzmarkt verkauft worden waren. Erstaunlich war, dass die Karte noch über ein beträchtliches Guthaben verfügte. Offensichtlich wollte der Mörder sichergehen, dass Haider über einen längeren Zeitraum erreichbar war. Er wusste wohl, dass das Guthaben bei jeder erhaltenen SMS oder bei einem Anruf in Deutschland nicht unerheblich belastet werden würde.
Die Nummer des Absenders der SMS stammte ebenfalls aus Tunesien. Natürlich konnte auch zu dieser Nummer kein Anschlussinhaber ermittelt werden.
Wegner berief eine Lagebesprechung ein, bei der eiligst die Fakten erörtert wurden. Es gab keinen Zweifel: Haider und Pfaff mussten unverzüglich auf freien Fuß gesetzt werden.
46
Pfaffs Frau war von der Verhaftung ihres Mannes schockiert. Sie brauchte einige Zeit, um ihre Fassung zurückzuerlangen. Nachdem die Durchsuchung beendet und ihr Mann vor den Augen ihrer beiden Kinder in Handschließen abgeführt worden war, überlegte sie, was zu tun sei. Zuerst versuchte sie vergeblich, Kontakt mit einem befreundeten Rechtsanwalt aufzunehmen. Anschließend rief sie in der Redaktion an. Von dem noch anwesenden Redakteur des politischen Magazins erfuhr sie, dass dort ebenfalls eine Durchsuchung stattgefunden hatte, bei der im Büro ihres Mannes dessen beide Rechner beschlagnahmt worden seien.
Bevor ihre Kinder auf die Welt gekommen waren, hatte Isabelle Pfaff als Reporterin bei der Heidelberger Allgemeinen gearbeitet. Als Mädchen für alles half sie überall aus, wo es klemmte. Dabei hatte sie sämtliche Freiheiten, die man als Frau des Chefredakteurs und Besitzers der Zeitung haben konnte. Bei allem, was sie tat, genoss sie aufgrund ihrer außerordentlichen journalistischen Fähigkeiten das uneingeschränkte Vertrauen ihres Mannes. Im Gegenzug konnte sie ihm bedingungslos vertrauen. Die Anschuldigungen, die auf dem roten Haftbefehl standen, konnten unmöglich zutreffen. Sie wusste, was sie zu tun hatte. Der Leiter der Druckerei fiel aus allen Wolken, als sie die Maschinen stoppen ließ und ihn bat, er möge sich in zwanzig Minuten im Konferenzraum der Redaktion einfinden. Noch bevor Robert Pfaff nach Hause zurückkehrte, hatte seine Frau alles in die Wege geleitet.
Am frühen Morgen des nächsten Tages erschien die Heidelberger Allgemeine mit folgender Schlagzeile: Mörder schlug wieder zu – Chefredakteur unschuldig im Gefängnis. In dem Artikel wurde fast wortgetreu
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