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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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und sprach davon, seinem Leben ein Ende setzen zu wollen. Voller Selbstmitleid erinnerte er daran, wie sie als kleine Jungs von den Pfaffen missbraucht worden waren und er deshalb nicht fähig sei, jemals mit einer Frau richtig intim zu sein. Immer wieder kämen die Bilder in ihm hoch. Er hätte es versucht, mehrmals sogar. Aber auch bei seiner letzten Freundin hätte er kläglich versagt. Der Porsche, die Klunker, die er um Hals und Armgelenk trug, die teure Kleidung, all das gehörte zu der Maske, mit der er seine Umwelt beeindrucken und von seiner unheilbar kranken Seele ablenken wollte.
    Markus Schaller hieb mit der Faust so kräftig auf den Tisch, dass die Gläser hüpften. Auch er hatte reichlich Alkohol genossen. »Wir sollten diesen Pfaffen gehörig den Arsch aufreißen, so wie sie es mit uns gemacht haben«, brüllte er. Andere Gäste wurden aufmerksam. Dreyer gelang es, die beiden etwas zu beruhigen, obwohl auch in ihm die Erinnerungen hochkochten. Es ging ihm genau wie Kapp. Er konnte ebenfalls mit keiner Frau zusammen sein. Schon allein der Gedanke daran rief Panik in ihm hervor. Er war sich sicher, dass er bei einer Frau in den gleichen paralysierten Zustand verfallen würde wie damals als Kind in der Sakristei. Und er fühlte sich nach all den Jahren immer noch schmutzig an Leib und Seele, unwürdig, mit einem anderen Menschen intim zu werden. Es erschien ihm geradezu paradox, dass sich seine sexuellen Gefühle eher in Richtung des männlichen Geschlechts richteten, obwohl es doch Männer waren, die ihn als Kind missbraucht und brutal vergewaltigt hatten.
    Aber seine Gefühle konnte er nie derart klar definieren, dass er eine Partnerschaft mit einem Mann hätte eingehen können. Es war, als sei in ihm etwas zerrissen, das niemals mehr heilen würde. So hatte er sich damit abgefunden, ab und zu in einschlägigen Lokalen, wie zum Beispiel dem Fresh Gay , die Nähe von Schwulen zu suchen, wobei er sich stets als Frau verkleidete. Das war in der Szene durchaus üblich, und so konnte er auch nie erkannt werden. Er achtete aber darauf, mit keinem Schwulen körperlich in Kontakt zu kommen. Das war nicht leicht, denn in diesen Lokalen wurde er angemacht, ob er wollte oder nicht. Man legte ihm die Hand auf die Schulter, streichelte bei der Begrüßung über seinen Rücken oder fasste ihm sogar mit einem lockeren Spruch ans Gesäß. All das war Lukas Dreyer zuwider, und dennoch zog es ihn immer wieder in die Szene. Er suchte krampfhaft nach einer Erklärung dafür, aber er fand keine.
    Nachdem er Jochen Kapp und Markus Schaller getroffen hatte, fühlte er sich mit einem Mal nicht mehr allein mit sich und seiner kaputten Seele. Jochen Kapp ging es offensichtlich noch viel beschissener als ihm. Und Markus Schaller? Er schien die furchtbaren Erinnerungen noch am besten weggesteckt zu haben. Obwohl … warum zertrümmerte er dann mit seiner riesigen Faust fast die Tischplatte?
    Bevor sie sich trennten, tauschten sie noch die Telefonnummern aus.
    Wochen später las Dreyer den Artikel über den spektakulären Selbstmord Jochen Kapps in der Zeitung. Tränen waren ihm in die Augen geschossen. Er dachte an seine Mutter und an den kleinen Benjamin Söger, sah im Geiste dessen vom Zug zerfetzten Körper. Eine unbändige Wut hatte sich in ihm breitgemacht. Er rief sofort Markus Schaller an. Noch am selben Tag schmiedeten sie die ersten Pläne. Schaller entpuppte sich dabei als wenig geistreich. Schnell war klar, dass er mehr fürs Grobe zuständig sein würde, während er, Dreyer, die Details der Aktionen ausarbeitete. Das Ziel war die Heilung der Mutter Kirche von dem Frevel sexueller Verbrechen und die Vernichtung derer, die seine Seele zerrissen hatten. Erst wenn diese Mission erfüllt sein würde, würde er Ruhe finden. Vielleicht könnte er in der von ihm gereinigten Kirche sogar Priester werden, eventuell sogar mehr. Gott, der Allmächtige, würde ihm den Weg zeigen, so wie er es die ganze Zeit getan hatte. Auf ihn konnte er sich verlassen. Er, der Dreifaltige, würde ihn nicht in die Irre führen.
    »Ich schaffe das auch allein«, zischte er entschlossen, als er auf den Knopf des Senders der ferngesteuerten Toröffnung drückte. Das schwere, schmiedeeiserne Tor setzte sich langsam in Bewegung. Dreyer hatte es nicht eilig. Er würde die ganze Nacht Zeit haben und am nächsten Tag das Paket mit Radeckes Kopf auf die Reise schicken. Er war sich sicher, den Vatikan damit endgültig in die Knie zwingen zu können.
    Als er

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