Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
Vom Netzwerk:
dachte Nawrod. Türkische Tradition. Von wem würde er sich verabschieden wollen? Von Eva und Samia natürlich. Aber damit würde er ihnen nur Angst machen. Von Sabine Bauer vielleicht noch. Sie würde ihn bestimmt davon abhalten wollen und Wegner verständigen. Dann würde aber der Soko-Leiter die Lorbeeren einheimsen und seine sowie Yalcins Rehabilitation wäre damit passé.
    »Okay, wir fahren zuerst bei deinen Eltern vorbei.«
    Da er sich immer noch nicht in Heidelberg auskannte, drückte er Yalcin die Fahrzeugschlüssel in die Hand, die sie zögernd entgegennahm. Nawrod fiel sofort auf, dass sie deutlich langsamer als sonst fuhr. Doch er wollte ihr keinen Druck machen. Vermutlich kämpfte sie mit sich. Wahrscheinlich hatte sie doch Angst vor dem, was auf sie zukommen könnte. Sie hatte ja auch recht. So ganz ohne Waffe. Sie würden höllisch auf der Hut sein müssen. Wenn es hart auf hart käme, wenn sie tatsächlich in das Wespennest stächen, müsste er alles in die Waagschale werfen, was er einmal als Karatekämpfer und Träger des 1. Dan gelernt hatte. Es war schon ein paar Jahre her, als er Landesmeister geworden war und einige Monate später durch einen Abriss des supra spinatus in der rechten Schulter diesen harten Wettkampfsport hatte aufgeben müssen. Aber ganz sicher würde er sich zu wehren wissen. Mehr noch, er würde den Zeitpunkt des Angriffs bestimmen. Darauf hatte man ihn bei speziellen Lehrgängen der Polizei bis zum Erbrechen gedrillt.
    Yalcin war auffallend blass, als sie vor dem Obst- und Gemüseladen ihrer Eltern wortlos aus dem Fahrzeug stieg. Ich sollte sie aus der Sache raushalten, dachte Nawrod. Sie ist noch zu jung, einfach zu jung und zu unerfahren. Doch es ist ihre einzige Chance, rehabilitiert und wieder in den Polizeidienst aufgenommen zu werden. Er selbst würde alles in seiner Macht Stehende tun, dass die Kündigung der jungen, talentierten Kollegin rückgängig gemacht würde.
    Nervös trommelten seine Finger auf die Oberschenkel. Er sah auf die Uhr. 17   :   30   Uhr. Sie mussten sich sputen, wenn sie noch nach Frankfurt fahren wollten. Wer weiß, was da alles auf sie zukommen würde. Vielleicht würden sie die Zielperson nicht antreffen und Schallers Wohnung erst stundenlang observieren müssen. Der Mann war absolut heiß. Es passte alles. Er war ohne Zweifel ein Missbrauchsopfer, hatte bis vor Kurzem in der Nachbarstadt Schwetzingen gewohnt und als Tierpfleger im Frankfurter Zoo bestimmt Zugang zu Etorphin. Mehr Indizien konnte man sich nicht wünschen.
    Und dieser Lukas Dreyer? Dreyer? Verdammt, den Namen habe ich doch schon mal gehört, durchfuhr es Nawrod plötzlich. Wenn ich nur wüsste, wo. Vielleicht wusste es Nesrin. Wo die nur blieb? Er schaltete mit der linken Hand die Zündung ein und betätigte die Hupe. Nichts rührte sich. »Die hat Nerven!«, raunzte er und hupte noch zweimal kräftig. In diesem Moment fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Der Arztkittel!«, platzte es aus ihm heraus. Deutlich sah er vor sich das aufgenähte Namensschildchen an der Innenseite des grünen Kittels, der zusammen mit anderen an den Kleiderhaken der Garderobe gehangen hatte. Es war Nawrod klar, dass das kleine Namensschild der Wäscherei nur dazu diente, den Kittel nach der Reinigung seinem Besitzer wieder zuzuordnen. Er hupte ein drittes Mal und zwar so lange, bis endlich die Tür des Obstladens aufging. Nesrins Vater kam schnurstracks auf ihn zu. Er streckte seinen Kopf weit durch das geöffnete Beifahrerfenster. Nawrod wich instinktiv zurück. Dennoch konnte er dem nach Knoblauch riechenden Atem des Mannes nicht ausweichen.
    »Meine Tochter wird nicht mitkommen. Fahren Sie bitte weiter!«, sagte er leise, aber bestimmt. »Allah sei mit Ihnen!«
    Bevor Nawrod antworten konnte, war der Kopf des Obsthändlers auch schon wieder verschwunden. Er rief dem Mann noch ein »Hallo« hinterher, aber Nesrins Vater reagierte nicht. Er drehte sich nicht einmal um.
    Nawrod überlegte. Sie hat alles ihren Eltern erzählt. Wollte sich von ihnen den Segen zu der gefährlichen Aktion geben lassen. Natürlich wurde ihr der verweigert. Wenn ich ihr Vater wäre, hätte ich das Gleiche getan. Vielleicht ist es gut so. Ich habe schon das Leben meines besten Freundes auf dem Gewissen. Ein weiteres, das von Nesrin, wäre mein endgültiger Untergang. Damit würde ich nicht mehr zurechtkommen.
    Er fuhr mit quietschenden Reifen davon. War es Enttäuschung, Frust oder Wut, weil jetzt alles ganz allein an

Weitere Kostenlose Bücher