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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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Hut. Erst jetzt sah Nawrod, dass sie weiße, feinverzierte Stoffhandschuhe trug, durch die rosablass ihre Haut schimmerte. Die Frau nahm langsam den Hut ab und legte ihn auf die Ablage ihres Rollators.
    Sie ist meine Rettung, schoss es Nawrod durch den Kopf. »Sie können sich darauf verlassen, ich halte mein Wort«, stieß er flüsternd hervor.
    Wieder dieses mitleidige Lächeln. Die Alte setzte ihre Brille ab und legte sie neben den Hut. Sie wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. »Entschuldigen Sie«, sagte sie mit Fistelstimme.
    »Bitte«, erwiderte Nawrod. »Wenn Sie mich … könnten Sie mich …«
    »Asthma, ich habe Asthma, und immer wenn ich diese Haare trage, erwischt es mich besonders.« Die Alte griff sich an den Kopf und zog ganz langsam an ihren Haaren. Als sie die Perücke in der Hand hatte, lächelte sie Nawrod wiederum an. Aber dieses Mal war es ein triumphierendes Lächeln.
    »Sie sind ein Schwein, Dreyer. Ein widerwärtiges, krankes Schwein«, schrie Nawrod.
    »Warum missgönnen Sie mir diesen Spaß, Herr Kriminalhauptkommissar?« Dreyer grinste dreckig. »Das Leben ist größtenteils furchtbar ernst. Da sollte man die wenigen Gelegenheiten der Aufheiterung wahrnehmen und genießen. Ich konnte nicht umhin, mir diesen Spaß zu genehmigen. Sie hätten Ihr Gesicht sehen sollen, als ich die Perücke abzog.«
    Dreyer war die Überraschung gelungen. Nawrod war sprachlos. Dieser Mörder konnte sich, je nach Belieben und innerhalb kurzer Zeit, in einen anderen Menschen verwandeln, und zwar so perfekt, dass die Verwandlung nicht einmal dem geschulten Auge eines Kriminalbeamten auffiel. Es gab also gar keine weiteren Mittäter. Schaller war der Einzige, und der war tot. Der alte Mann, Haiders Mutter und Schwester, das waren ein und dieselbe Person. Dreyer hatte sie perfekt imitiert.
    »Wie kamen Sie an Haider und Pfaff ran?« Nawrod wusste, er würde sein Wissen mit ins Grab nehmen, dennoch interessierte es ihn. Er versuchte die Gedanken an sein nahes Ende auszublenden.
    »Haider war gelegentlich Gast im Fresh Gay . Dort kam ich mit ihm in Kontakt. Er ist bisexuell, müssen Sie wissen, und er war scharf auf mich. Ich trat in der Schwulenkneipe als Frau auf. Es machte mir einfach Spaß. Die Stammgäste wussten jedoch, dass ich ein Mann war, der gerne in Frauenkleidern auftrat. So blieb ich unerkannt. Haider war nicht der Einzige, der mit mir anbändelte. Er erzählte mir viel von sich. So wusste ich, dass er freier Journalist ist und eine Mutter sowie eine Schwester hat. Bereitwillig nannte er mir Name und Adresse der beiden. Ich fotografierte sie heimlich. Ihr Äußeres zu imitieren, war ein Klacks für mich. Nachdem wir Otte in unsere Gewalt gebracht hatten, kaufte ich auf dem Schwarzmarkt zwei in Deutschland nicht registrierte Handys. Eines davon steckte ich Haider im Fresh Gay unbemerkt in die Jacke. Wie Sie, Herr Nawrod, waren er und seine Angehörigen Figuren, die ich nach Belieben eingesetzt habe. Mir war klar, dass Sie ihn irgendwann verdächtigen würden. Was lag näher, als den Verdacht dadurch zu erhärten, dass ich den Anschein erweckte, Haider hätte Mutter und Schwester als Paketbotinnen eingesetzt?«
    »Und Pfaff? Wie haben Sie den manipuliert?«
    »Da musste ich überhaupt nichts tun. Haider hatte mir erzählt, dass er seine Storys allen möglichen Zeitungen anbietet. Ohne Gefahr zu laufen, über die Handynummer identifiziert zu werden, konnte ich ihm per SMS hochbrisante Nachrichten zukommen lassen, die er nur ein wenig ausschmücken musste. Natürlich kam es mir sehr gelegen, dass er sie an den Chefredakteur der Heidelberger Allgemeinen verkaufte. Was der damit machte, wissen Sie ja. Das war ganz in meinem Sinne. So hatte jeder in dem Spiel seine Rolle und musste bestimmte Aufgaben erfüllen. Markus Schaller fiel leider aus seiner Rolle. Es blieb mir deshalb nichts anderes übrig, als ihn zu töten. Und Sie sind nun auch aus Ihrer Rolle gefallen.«
    »Meine Kollegen werden jeden Moment hier sein.« Nawrod versuchte, seine Worte überzeugend klingen zu lassen. Aber seine Stimme fühlte sich schwach und heiser an.
    »Das glaube ich kaum«, erwiderte Dreyer. »Sie sind mutterseelenallein gekommen. Weiß der Teufel, warum. Und Sie haben mich verfolgt. Nur so konnten Sie das Versteck finden. Jede Wette, dass Sie vor dem Eindringen in dieses Haus niemanden informiert haben.«
    »Sie täuschen sich. Meine Kollegin weiß, wo ich bin«, bluffte Nawrod. »Sie wird …«
    »Nichts wird sie,

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