Die Sünde
Sünden zu bereuen und Buße zu tun. Wie lassen sich Ihre Verbrechen an den beiden mit Ihrem christlichen Glauben vereinbaren?«
»Beide bekamen ein faires Gerichtsverfahren, bei dem sie sich verteidigen konnten. Und beide legten ein Geständnis ab. Wir mussten sie zur Höchststrafe verurteilen, denn das war Gottes Wille.«
»Warum haben Sie bei Ihren Botschaften und Zeitungsveröffentlichungen die Namen der Opfer verschwiegen?«
»Das gehörte zum Spiel. Wir wollten nicht nur der Polizei, sondern der gesamten Welt Rätsel aufgeben. So konnten wir sicher sein, höchste Aufmerksamkeit zu erreichen. Deshalb auch die lateinischen Verse.«
»Und warum haben Sie sich gerade Otte und Radecke als Opfer ausgesucht?«
»Zusammen mit Johannes Holzmann waren sie es, die Markus Schaller, Jochen Kapp, Benjamin Söger und mich missbrauchten. Benjamin war der Schmächtigste von uns. Er war ein zarter Junge, der kaum redete. Nach der zweiten Vergewaltigung ist er auf dem Heimweg vor den Zug gelaufen.
Zu dem damaligen Netzwerk pädophiler Priester gehörten außer Otte, Radecke und Holzmann noch einige andere. Radecke gab ihre Namen beim letzten Verhör preis. Um seine Haut zu retten, wollte er das Ganze herunterspielen. Er sei das kleinste Licht in dem in der katholischen Kirche weit verbreiteten homophilen Netzwerk gewesen. Ihr kleines separates Netzwerk habe sich ausschließlich aus Priestern ihres Seminars zusammengesetzt. Es sei aber allgemein bekannt, dass es weitere Gruppierungen unter Priestern, Bischöfen und Kardinälen gab und immer noch gibt, die junge Ministranten missbrauchen oder untereinander homosexuelle Verbindungen pflegen. Weiter erzählte Radecke, weshalb Holzmann und zwei, drei andere nicht aus dem Priesteramt entfernt wurden. Sie dienten schon damals hohen Würdenträgern, die nicht auf ihre freudenspendenden Untergebenen verzichten wollten.«
»Herr Doktor Dreyer, jetzt enttäuschen Sie mich aber ein wenig! Wie kann ein Mann mit Ihrer Bildung und Intelligenz Verfehlungen, die es in der katholischen Kirche zweifellos zu geben scheint, derart pauschaliert darstellen und sie zum Anlass nehmen, Menschen zu töten? Sie können doch nicht im Ernst behaupten, alle Priester wären Päderasten.«
»Das habe ich nie gesagt. Tatsache ist jedoch, dass die katholische Kirche, neben der evangelischen und anderen sozialen Einrichtungen wie zum Beispiel Privatschulen, Internaten und dergleichen, schon immer ein Sammelbecken für Päderasten war.«
»Aber gerade diese Institutionen sind es, die auch sehr viel Gutes tun. Ich bin der Meinung …«
»Ihre Meinung interessiert mich nicht!« Doktor Dreyer stieg die Zornesröte ins Gesicht. »Ich weiß, wovon ich rede, und ich werde diese scheinheiligen Sünder in ihren Soutanen vernichten. Ich werde mit dem Schwert Gottes das Krebsgeschwür entfernen, das früher oder später den Untergang und Tod unserer heiligen Mutter Kirche bedeuten würde. In Erinnerung an Jochen Kapp werde ich noch heute Nacht Radecke enthaupten. Selbstverständlich werde ich das Paket wieder an Sie schicken. Das bin ich Ihnen schuldig. Schade nur, dass Sie seinen Kopf nicht mehr zu sehen bekommen werden. Sie werden verstehen, dass ich Sie leider auch töten muss.«
»Tun Sie, was Sie nicht lassen können, aber hören Sie mir noch einen Augenblick zu. Sie sind krank, Doktor Dreyer. Durch die furchtbaren Erlebnisse in Ihrer Kindheit sind Sie im höchsten Maße traumatisch erkrankt. Hören Sie auf mit Ihrem grausamen Spiel. Ich bin sicher, jedes Schwurgericht wird Ihre Erkrankung berücksichtigen. Sie müssen nicht ins Gefängnis. Ich werde mich dafür einsetzen, dass Sie therapiert werden.«
Dreyer lachte. Sein Lachen jagte Nawrod einen kalten Schauer über den Rücken. Es war nicht das Lachen eines Menschen, sondern das einer verrückten Bestie, die sich von nichts und niemandem mehr davon abbringen lassen wollte, ihr wahnwitziges Ziel zu verwirklichen.
»Sie wollen mich also in eine Klapsmühle stecken?«
Dreyer lachte erneut.
Nawrod unterbrach ihn. »Ich werde Ihnen die besten Ärzte besorgen, die es gibt. In ein paar Jahren sind Sie ein freier Mann. Das schwöre ich Ihnen.«
»Für wie blöd halten Sie mich? Während meines Studiums habe ich zwei Monate in der forensischen Psychiatrie gearbeitet. Ich weiß sehr gut, was meine Kollegen dort mit mir machen würden. Sie würden mich bis zur Oberkante mit Psychopharmaka vollpumpen, so wie sie das mit all ihren Patienten machen. Effektive
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