Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
Vom Netzwerk:
darüber ist, ob man weiter wie bisher lügen und vertuschen soll, oder ob man endlich die Wahrheit ans Licht bringt. Sie fühlen sich bedroht. Unsere Aktionen haben keinem Geringeren als ihrem geistigen Oberhaupt einen gewaltigen Schwerthieb versetzt, den er nicht überleben wird. Da bin ich mir sicher.«
    »Und ich bin mir sicher, dass Sie das auch ohne zu morden erreicht hätten. Sie hätten nur die Presse auf Ihre Seite bringen müssen. Richtig eingesetzt, hätte sie das Gleiche bewirkt, was Ihnen bislang gelungen ist.«
    »Sie haben keine Ahnung, Nawrod«, antwortete Dreyer. Bitterkeit schwang in seiner Stimme. »Die Kirche ist keine harmlose Vereinigung, an deren Spitze der Papst steht. Sie ist ein gigantischer Machtapparat mit einer eigenen Bank, die keiner Kontrolle untersteht. In ihr werden unglaubliche Summen von schmutzigen Geldern gewaschen. Wenn Sie glauben, die Kirche widmet sich nur ihrem christlichen Glauben, täuschen Sie sich gewaltig. Ihre Interessen sind vielseitig und sie hat Einfluss bis in die höchsten Spitzen der Politik, bis in die hintersten Winkel unserer Gesellschaft und natürlich auch auf die Presse. Deshalb mussten wir das Pferd so aufzäumen, wie wir es getan haben. Es gab keine andere Möglichkeit. Davon abgesehen, haben Otte, Radecke und Holzmann nur bekommen, was sie verdienten.«
    »Das kann ich nicht glauben. Sie übertreiben schamlos, um Ihre grässlichen Taten zu rechtfertigen.«
    »Nehmen wir doch mal den von Ihnen genannten Missbrauchsbeauftragten. Bischof Semmler hat den zahllosen Missbrauchsopfern in Deutschland bislang läppische zwei Millionen Euro zugebilligt, während der Papstbesuch neulich über 12   Millionen gekostet hat. Nennen Sie das etwa gerecht? Und ich sage Ihnen noch etwas: Bevor ein Missbrauchsopfer als solches anerkannt und entschädigt wird, muss es eine menschenunwürdige Prozedur über sich ergehen lassen. Wir wollten uns das auf keinen Fall antun. Schaller nicht und ich schon gar nicht. Davon abgesehen, hätte das sicher auch meiner Reputation als Arzt geschadet. Vor allem hätte man mich als Rechtsmediziner in Fällen von sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung für befangen erklärt.«
    »Das ist noch lange kein Grund, Menschen zu verstümmeln und zu töten.«
    »Gott hat mir hierzu den Befehl erteilt und diesen Befehl werde ich befolgen, bis zu meinem Ende.«
    Dreyer gab in der Verkleidung der alten Frau ein geradezu lächerliches Bild ab. Seine langen blonden Haare, die ihm wirr ins Gesicht hingen, passten ganz und gar nicht zu der dick aufgetragenen Schminke. Alles an ihm wirkte grotesk. Trotz der bedrohlichen Lage musste Nawrod plötzlich laut lachen. Wenn er nicht auf dem Tisch festgeschnallt gewesen wäre, hätte er sich dabei bestimmt geschüttelt.
    »Die rechte Hand Gottes habe ich mir aber anders vorgestellt«, brüllte er lachend. »Wenn Sie sich sehen könnten, würden Sie sich in die Hose machen.«
    »Ihnen wird das Lachen gleich vergehen.« Dreyer griff nach der Spritze. Nawrod wusste, dass es jetzt so weit war. Er hatte den Bogen überspannt. Was hätte er diesem Irren denn sonst noch sagen können? Einmal musste Schluss sein. In ihm machte sich eine seltsame Ruhe breit. Wie lange würde es dauern, bis das Etorphin sein Herz zum Stillstand brachte? Bestimmt nicht lange, denn als ihn Dreyer mit dem Gewehr betäubte, hatte es keine drei Sekunden gedauert, bis er weggetreten war.
    Er schloss die Augen und dachte an Eva und Samia. Von ihnen hätte er sich noch gerne verabschiedet und ihnen gesagt, dass er sie liebte und wie leid ihm alles tat. Sie würden ihn nicht einmal bestatten können. Es würde nichts von ihm übrig bleiben. Dafür würde Doktor Dreyer schon sorgen. Für ein flammendes Inferno hatte dieser Sadist sicher genügend Brandbeschleuniger beschafft.
    » Cinis ad cinerem, pulvis ad pulverem «, sagte Doktor Dreyer pathetisch. » Asche zu Asche, Staub zu Staub .«
    Er verstand sein Handwerk. Den Einstich spürte Nawrod kaum und mit dem Einstich schoss ein ohrenbetäubender Lärm durch seine Gehörgänge, der sich explosionsartig in seinem Gehirn breitmachte. War das der Tod? Warum kündigt sich der Sensenmann so laut an? Das hatte er doch gar nicht nötig. Oder explodiert bei allen Sterbenden das Gehirn, bevor die Nervenzellen für immer den Geist aufgeben?
    Nawrod riss ein letztes Mal die Augen auf. Ein dunkler Schatten huschte an ihm vorbei.
    »Alles klar, Alter?«
    War das der Engel, der ihn auf seinem Weg ins Jenseits

Weitere Kostenlose Bücher