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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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Spur waren. Dachte dabei allerdings mehr an Markus Schaller.«
    »Der ist auch hier.«
    »Was, und das sagst du mir erst jetzt!« Yalcin riss sofort die Pistole vom Tisch und brachte sie in Anschlag. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse und schlich langsam in Richtung Tür.
    »Nimm den Fuß vom Gas, Nesrin! Schaller tut niemandem mehr etwas. Er liegt schon halb zersetzt in einer Badewanne mit Salzsäure.«
    Yalcin entspannte sich. »Hättest du gleich sagen können.«
    »Mit der Beretta wird es Probleme geben. Du hast sie nicht nur gestohlen, sondern auch noch illegal benutzt, ist dir das klar?«
    »Spielt das noch eine Rolle? Sie haben mich eh rausgeschmissen. Ich habe dir damit das Leben gerettet, das ist das Einzige, was zählt.«
    »Dafür werde ich bei Wegner und Staatsanwalt Brügge ein gutes Wort für dich einlegen. Und mit deinem Vater werde ich auch reden. Los, ruf endlich die Kollegen an! Ich will ihre dummen Gesichter sehen, wenn sie hier erscheinen. Einen Notarztwagen brauchen wir …«
    Nawrod unterbrach abrupt. Er sah Yalcin mit großen Augen an.
    »Radecke!«, schrien beide fast gleichzeitig. »Er muss hier sein«, stieß Nawrod heiser hervor und ließ sich von der Tischkante gleiten. »Vielleicht lebt er noch!«
    In diesem Augenblick hörten sie ein verhaltenes Stöhnen, dem ein Röcheln folgte. Doktor Dreyer war nicht tot. Auf dem Boden hatte sich eine große Blutlache um ihn gebildet.
    Nawrod bückte sich zu ihm hinunter und brachte ihn in eine stabile Seitenlage. Anschließend fühlte er den Puls des Schwerverletzten und sagte: »Der rennt uns nicht mehr weg. Lass uns Radecke suchen.«
    Sie brauchten nicht lange, bis sie ihn gefunden hatten. Als sie die schalldichte Tür aufrissen, stieß Radecke einen markerschütternden, kehligen Schrei aus. Offenbar rechnete er damit, jetzt getötet zu werden. Er gab ein jämmerliches Bild ab. Splitternackt, am ganzen Körper zitternd und schützend die Arme über seinem kahlgeschorenen Kopf verschränkt, hatte er sich embryogleich in eine Ecke gekauert. Seine linke Hand fehlte. Der Armstumpf war mit dunkelroten Blutkrusten überzogen. Es war ein entsetzlicher Anblick.
    Dem Schrei folgte ein gequältes Wimmern und Weinen. Er wagte nicht hochzuschauen. Das Zittern wurde so heftig, dass seine Zähne anfingen zu klappern.
    Nawrod und Yalcin sahen sich an. Aus der grünen Zelle drang ein unerträglicher Kot- und Uringeruch. »Herr Radecke, hier ist die Kriminalpolizei«, sagte Nawrod laut.
    »Herr Radecke«, wiederholte Yalcin. »Wir sind gekommen, um Sie hier rauszuholen.«
    Radecke ließ sich zur Seite kippen und schluchzte laut. Sein Körper bebte. Immer noch hielt er beide Arme schützend über seinen Kopf.
    »Ruf verdammt noch mal die Funkleitzentrale an! Wir benötigen dringend zwei Notärzte.«
    Yalcin nickte fassungslos. Sie zog ihr Handy aus der Tasche und wählte die 110.
    54
    Die Notärzte mit ihren Teams waren binnen weniger Minuten zur Stelle. Radecke bekam sofort zwei Spritzen, eine zur Beruhigung und eine gegen die Schmerzen. Er wehrte sich heftig dagegen. Offensichtlich begriff er nicht, dass man ihm helfen wollte und er gerettet war. Die undefinierbaren Laute, die er ausstieß, erinnerten Yalcin an das grässliche Fabelwesen eines Horrorfilms, den sie vor einiger Zeit gesehen hatte.
    Dreyers Zustand war äußerst kritisch. Er hatte viel Blut verloren und sein Puls war flach. Hastig legte ihm der Notarzt an beiden Armen Zugänge, über die der lebensgefährlich Verletzte mit Infusionen versorgt werden konnte. Gleichzeitig stülpte ihm ein Rettungssanitäter eine Sauerstoffmaske über Mund und Nase.
    »Wird er durchkommen?«, fragte Yalcin den Notarzt mit belegter Stimme. Der Abbau des Adrenalins in ihrem Körper ging mit dem Bewusstsein einher, zum ersten Mal in ihrem Leben auf einen Menschen geschossen und ihn womöglich tödlich verletzt zu haben. Dreyer war zwar ein Mörder, aber immer noch ein Mensch. Es half ihr wenig, sich vor Augen zu halten, dass Nawrod jetzt nicht mehr leben würde, wenn sie nicht eingegriffen hätte. Unaufhaltsam machte sich ein sonderbares Gefühl in ihr breit. Sie fühlte sich fremd in ihrem eigenen Körper. Wie war es möglich gewesen, dass beide Hände das Griffstück der Beretta fest umschlossen hatten, die Arme nach oben gingen, bis ihre Augen über die Visierschiene der tödlichen Waffe strichen, und sich danach innerhalb einer Zehntelsekunde ihr rechter Zeigefinger dreimal krümmte? Das war doch nicht sie,

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