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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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tat auch sein oft mürrisches Verhalten keinen Abbruch. Yalcin schätzte, dass Sabine Bauer etwa fünf Jahre jünger als Nawrod sein könnte. Und sie war attraktiv auf ihre ganz besondere Art. Ihre großen braunen Augen strahlten Wärme und Klugheit aus. Die Weichheit ihres Mundes hat sicher schon manchen Mann verzaubert, dachte Yalcin. Hingegen drückte die wohlgeformte Nase Entschlossenheit und Mut aus. Nur in diesem Augenblick nicht. Jetzt erkannte Yalcin in Sabine Bauers Gesicht jene Schwäche, von der Frauen immer dann erfasst werden, wenn sie aus heiterem Himmel von Amors Pfeil getroffen werden. Davon war auch Yalcin nicht verschont geblieben. Während ihres Studiums hatte sie sich einmal unsterblich in einen Kollegen verliebt. Sie schwebte tagelang auf Wolke sieben, bis sie von einer anderen Kollegin erfuhr, dass ihr Auserwählter verheiratet und ein Aufreißer war, der es sich zum Sport gemacht hatte, möglichst viele Kolleginnen flachzulegen. Aber sie war eine Türkin, die von ihren Eltern konsequent dazu erzogen worden war, sich einem Mann erst in der Hochzeitsnacht hinzugeben. Er biss bei ihr auf Granit, und so war die große Liebe vorbei, ehe sie richtig begonnen hatte.
    Nawrod bemerkte natürlich, wie sich Sabine Bauers Blick an ihm festsaugte. Er genoss es, zugleich war es ihm aber auch peinlich. Sie hatte das gewisse Etwas, das er an einer Frau schätzte.
    »Wann kannst du an dem Finger den Abdruck nehmen?«, unterbrach er den knisternden Lichtbogen, der sich zwischen ihm und ihr gespannt hatte.
    »Was … wie … ach ja, ich werde noch heute zur Rechtsmedizin fahren und das Teil holen. Sobald ich den Abdruck gemacht habe, gebe ich ihn ins AFIS ein. Ich rufe dich … ich meine euch an, wenn das Ergebnis vorliegt.«
    »Sei so lieb und schicke sämtliche Berichte an Nesrin. Mein Name darf in der Akte vorerst nicht erscheinen«, sagte Nawrod und streckte Sabine Bauer die Hand hin.
    Die Kriminaltechnikerin sah ihn fragend an.
    »Ist nur eine Formsache«, lächelte Nawrod.
    »Kein Problem«, erwiderte Sabine Bauer und gab ihm über ihren Schreibtisch hinweg die Hand. Yalcin lächelte süffisant, denn der etwas längere Händedruck sprach Bände.
    Draußen auf dem Flur stieß sie Nawrod den Ellenbogen in die Seite. »Hey, Jürgen, diese Sabine hat’s drauf, oder was meinst du?«
    »Kann schon sein. Ich kenne sie noch zu wenig, um mir ein Urteil zu bilden. Wir werden sehen, was sie aus der Sache macht.«
    Da bin ich auch mal gespannt, dachte Yalcin und grinste über das ganze Gesicht.
    Kurze Zeit später saßen sie wieder an ihren Schreibtischen und vertieften sich in die Arbeit.
    8
    Philipp Otte hatte immer noch Schmerzen an seiner rechten Hand, als er nach der Einnahme eines köstlich schmeckenden Rindergoulaschs mit Nudeln merkte, wie er plötzlich müde wurde. Er realisierte gerade noch, dass ihm ein zweites Mal ein Betäubungsmittel ins Essen gemischt worden war. Dann verlor er das Bewusstsein. Als er wieder aufwachte, lag er auf der Pritsche. Er wollte sich aufrappeln, als ihm ein stechender Schmerz in seinem Kopf abermals die Besinnung raubte.
    Bevor sein Verstand wieder einigermaßen zu funktionieren begann, wehrte sich sein Instinkt gegen das Wachwerden, obwohl er einen fürchterlichen Traum hatte. Er hatte geträumt, er sei in einer infernalischen Hölle und der Satan mit einer unvorstellbar grässlichen Fratze würde ihn bestrafen. Er hatte ihm mit einem glühenden Eisen das Wort »Peccantia«, das lateinische Wort für Sünde, auf die Stirn gebrannt, während um ihn herum ein Meer von nackten Menschen tanzten, die laut schrien und lachten. Seltsamerweise hatte er in dieser Hölle keinerlei Schmerzen verspürt, weshalb er es vorzog, das Inferno weiter über sich ergehen zu lassen, um ja nicht aufzuwachen. Denn dann würden diese furchtbaren, kaum mehr auszuhaltenden Schmerzen wiederkommen.
    Aber es half nichts. So sehr er sich auch dagegen wehrte, schlug er irgendwann die Augen auf. Nur nicht nach rechts drehen, war sein erster rationaler Gedanke. Sonst würde ihn wieder diese überdimensionale Explosion in seinem Gehirn geradewegs in die Hölle schicken. Otte blieb ruhig liegen. Er röchelte. Er roch geronnenes Blut. Sein Blut. Langsam hob er die linke Hand und tastete nach dem Kopf. Mit den Fingerkuppen fühlte er den Verband. Als er in die Nähe des rechten Ohrs kam, wurde der Schmerz mit einem Mal heftiger. Er schrie laut auf. Sein Puls raste. Nach einer Pause begann er wieder, vorsichtig

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