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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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Psyche und Motive solcher Mörder. Vielleicht fand sie Hinweise auf Freunde und Bekannte des Mörders, die als Nachahmer dieser Bestie in Menschengestalt infrage kamen.
    Frau Lelle trat ein. Nawrod sah auf und erkannte sofort, dass es das gleiche Päckchen war. Er unterbrach das Gespräch und legte den Hörer auf. Die Sekretärin hielt das Päckchen mit beiden Händen weit vor ihren Körper. Ihre durch eine dicke Brille vergrößerten Augen wirkten jetzt noch größer. Das Gesicht war fahl. Nawrod sah, dass ihre Mundwinkel zuckten. Sie blieb wie angewurzelt mitten im Raum stehen. »Es ist soeben mit der üblichen Post gekommen«, presste sie leise hervor. »Derselbe Absender.«
    Nawrod öffnete eine Schreibtischschublade und entnahm daraus Einmalhandschuhe, die er sich überstreifte. Danach stand er auf und ging auf die Sekretärin zu, die ihm das Paket entgegenstreckte. Nachdem es Nawrod in Empfang genommen hatte, wischte sie beide Hände an ihrer Kleidung ab. Es war eine für Frau Lelle völlig untypische Handlung. Das hätte sie sonst nie gemacht, wären ihre Hände noch so schmutzig geworden. Aber in dieser Situation war sie offensichtlich völlig überfordert. Sie vermutete, nein wusste, dass sich in dem Paket wieder ein menschliches Körperteil befand, und in der kurzen Zeit, in der es in ihrer Obhut gewesen war, entstanden tausend Bilder in ihrem Kopf, die sie nicht mehr verarbeiten, nicht mehr sortieren konnte.
    Nawrod ahnte, was in der Frau vorging. In all den Jahren, in denen sie beim Dezernat 1 arbeitete, war ihr nichts Vergleichbares passiert. Sie war nie draußen am Tatort, musste nie den unangenehm süßlichen Geruch toter Menschen einatmen, geschweige denn den bestialischen Gestank, wenn ein Toter schon in Verwesung übergegangen war. Die Arbeit der Ermittler beim Dezernat Kapitalverbrechen, wie das D1 auch genannt wurde, fand für Frau Lelle immer nur auf dem Papier statt. Und nun war sie zum ersten Mal unmittelbar mit dem Tod konfrontiert. Wenn es auch nur ein kleiner Tod war. Das Absterben eines Fingers. Aber immerhin. Was mochte dieses Mal in dem Paket sein? Ein anderer Finger?
    »Ist schon gut, Frau Lelle«, sagte Nawrod sanft und sah auf das Paket. »Vielen Dank, dass Sie es mir gleich gebracht haben.«
    Frau Lelle nickte. Sie schloss den halbgeöffneten Mund, presste die Lippen zusammen und wollte auf dem Absatz kehrtmachen.
    »Ach, Entschuldigung, können Sie mir sagen, wer außer Ihnen das Paket noch in der Hand hatte?«
    »Die … die Angestellten der Postitur, nehme ich an«, kam es leise und zaghaft über ihre Lippen.
    »Danke, Frau Lelle!«
    Die Sekretärin wollte sich abermals umdrehen.
    »Da wäre noch etwas, Frau Lelle. Verstehen Sie mich aber bitte nicht falsch.«
    »Ja bitte!«
    »Der Vorgang unterliegt vorerst strengster Geheimhaltung. Also bitte kein Sterbenswörtchen zu irgendjemandem. Wir wollen verhindern, dass die Sache vorzeitig in den Zeitungen erscheint.«
    »Das versteht sich von selbst, Herr Nawrod. Wenn Sie mich kennen würden, wüssten Sie, dass ich nie etwas nach außen trage.« Es war nicht ihre Absicht gewesen, aber in ihrer Stimme schwang ein kleiner Vorwurf mit.
    »Natürlich, Frau Lelle, ich bitte nochmals um Entschuldigung. Bin ja neu hier.«
    Als die Sekretärin das Büro verlassen hatte, griff Nawrod zum Telefon. Kurze Zeit später lag das Päckchen auf dem Tisch im Spurensicherungsraum der Kriminaltechnik.
    »Es wird zwar nicht viel bringen, aber wir werden dieses Mal das Paket auch außen auf Spuren untersuchen«, sagte Beck ernst. »Sicher haben es nach dem Täter schon tausend Leute von der Post in der Hand gehabt. Aber wer weiß, vielleicht finden wir doch noch einen winzigen DNA -Partikel des Absenders.«
    »Du musst also Geduld haben, Jürgen.« Sabine Bauer legte eine Hand auf Nawrods Schulter, zog sie aber gleich wieder zurück.
    »Konntet ihr schon den Abdruck des Fingers ins AFIS eingeben?«
    »Ja, aber du bist mir zuvorgekommen. Ich wollte dich gerade anrufen und dir mitteilen, dass es keinen Treffer gegeben hat, auch nicht in der DNA -Datei. Das heißt, unser Fingermann ist in den letzten Jahren nicht polizeilich in Erscheinung getreten. Könnte natürlich sein, dass ein früherer Datenbestand inzwischen gelöscht wurde. Unsere inkompetente Justizministerin sorgt ja ständig dafür, dass die Löschungsfristen gekürzt werden.«
    »Was denkst du, wie viel Zeit ihr für das Paket benötigt?«
    »Ich schlage vor, dass wir dich rufen, sobald wir uns an

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