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Die Sünde

Die Sünde

Titel: Die Sünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Feller
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fordernd an.
    Uhl blieb ruhig. »Wie ich schon sagte, ich brauche Zeit. Vielleicht in zwei, drei Tagen. Sie hören von mir.« Die dicke Akte unter den Arm geklemmt, verließ er das Büro.
    Nawrod schaute auf seine Armbanduhr. Es war jetzt 11   :   30   Uhr. Er griff zum Telefonhörer und wählte Sabine Bauers Nummer.
    »Was jetzt, italienisch oder chinesisch? Ich kann auch noch mit indisch dienen«, begrüßte ihn die Kollegin lachend. »Schön, dass du es dir anders überlegt hast.«
    In Nawrods Hals steckte die gleiche Kröte wie vor zwei Stunden, als er von ihr die Einladung erhalten hatte. Am liebsten hätte er sofort wieder aufgelegt.
    »Tut mir leid, Sabine. Wir holen das irgendwann einmal nach, versprochen. Deswegen rufe ich nicht an«, versuchte er so freundlich wie möglich zu antworten.
    »Weshalb denn dann?«
    Zu Nawrods Erstaunen klang Sabines Stimme immer noch sehr nett. »Na ja, ich wollte dich fragen, ob wir beide …
    »… selbst kochen könnten«, lachte sie herzhaft und fuhr fort: »War nur ein Spaß. Brauchst nicht gleich zu erschrecken. Was hast du nun wirklich auf dem Herzen?«
    »Ich wollte dich fragen, ob du mich zur Rechtsmedizinerin begleiten könntest. Ich hätte ein paar Fragen an sie und außerdem würde ich mir gerne persönlich ein Bild von ihr machen. Wenn du dabei wärst, könnte das von Vorteil sein. Ist doch deine Freundin oder habe ich das falsch verstanden?«
    »Sie ist eine gute Bekannte von mir. Freundin würde ich sie aber nicht nennen.«
    »Also, kommst du mit?«, fragte Nawrod und bemühte sich, seine Ungeduld zu unterdrücken.
    »Es ist kurz vor Mittag. Ich werde Barbara anrufen und fragen, wann es ihr recht ist. Mir käme es gelegen, wenn wir gegen 14   Uhr losfahren würden. Ich sage dir Bescheid.«
    »Danke, Sabine.« Nawrod legte auf. Sie ist wirklich eine bemerkenswerte Frau, dachte er. Keine Spur von beleidigt. Ganz im Gegenteil. Ihre Stimme hatte sehr freundlich, ja, sogar liebevoll geklungen. War es das, was sie auszeichnete, was sie begehrenswert machte?
    Sie trafen gegen 14   :   30   Uhr im Rechtsmedizinischen Institut ein. Sabine Bauer kannte sich hier gut aus. Zielstrebig ging sie an den Sektionsräumen vorbei und steuerte auf eine Bürotür zu. Ihr Klopfen zeugte von Selbstbewusstsein. Es war nicht unverschämt laut, aber auch keineswegs zaghaft. Nawrod mochte Kolleginnen, die sicher auftraten. Wie oft hatte er feststellen müssen, dass diese Eigenschaft der Mehrzahl weiblicher und gelegentlich sogar männlicher Polizeibeamten leider fehlte.
    Die Gerichtsmedizinerin saß hinter ihrem Schreibtisch und war in Akten vertieft. Den Gruß erwiderte sie, indem sie kurz aufsah und murmelte: »Entschuldigung, bin gleich so weit.« Mit einem Textmarker unterstrich sie mehrere Stellen der vor ihr liegenden Aktenseite. Währenddessen schaute sich Nawrod im Büro um. Der Raum war geschmacklos eingerichtet. Im Gegensatz zu den weiß gekachelten Sektionsräumen vermittelte er dennoch ein gewisses Maß an Behaglichkeit. Nawrod fielen sofort zwei verschiedene Biene-Maja-Poster und ein etwa 50   Zentimeter großes, gleichartiges Stofftier auf, das auf einer wohl eigens dafür an der Wand angebrachten Konsole stand. Er musste schmunzeln. Sabine Bauer stieß ihm sanft in die Rippen und legte mit ernstem Gesicht ihren Zeigefinger an den Mund. Nawrod konnte gerade noch mit den Schultern zucken, als Dr.   Westhof aufsah und sich gleich danach von ihrem Stuhl erhob.
    »Hallo, Sabine!« Sie streckte der Kriminaltechnikerin die Hand entgegen. »Schön, dass du mich mal wieder besuchst.«
    »Du tust ja so, als sei ich schon ewig nicht da gewesen. Dabei habe ich dir doch erst vor drei Tagen das Herz gebracht. Darf ich vorstellen, das ist Kriminalhauptkommissar Jürgen Nawrod vom Dezernat 1.«
    Nawrod war nicht sonderlich überrascht, als ihm Barbara Westhof die Hand entgegenstreckte und er feststellte, dass die etwa 50-jährige Frau mit ihren gut 1,93   Meter fast einen Kopf größer war als er. Es beeindruckte ihn auch nicht, dass sie auffallend blasse, jedoch sehr maskuline Gesichtszüge und den Händedruck eines Preisboxers hatte. Ihre langen, pechschwarz gefärbten Haare hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, dessen Haargummi schon ein gutes Stück nach unten gerutscht war. Die Frau raucht, dachte er, denn sie hatte den typisch gelblichen Zahnbelag eines Rauchers. Ein kurzer Blick auf den Schreibtisch bestätigte seine Vermutung. Der halbvoll gefüllte

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