Die Sünden der Gerechten - Rankin, I: Sünden der Gerechten - The Impossible Dead
wollen. «
» Was, wenn mich Imogen braucht? «
» Das kann sie mir ja selbst sagen. Solange sie das nicht tut, bleiben Sie draußen vor dem Tor. «
Mangold guckte stocksauer, entgegnete aber nichts. Er brummelte auf dem Weg zurück zum Taxi und knallte die Tür hinter sich zu. Fox erklärte in die Sprechanlage hinein, dass er einen Termin habe. Das Tor schwang mit einem elektrischen Brummen nach innen auf, und Fox kehrte zu seinem Wagen zurück. Es war eine lange, gewundene Auffahrt, dicht gewachsene Sträucher auf beiden Seiten. Fox hielt auf einem Kiesparkplatz vor einem zweistöckigen Giebelhaus. Der Abend dämmerte bereits, Vögel schliefen in den hochgewachsenen Bäumen. Aus Gewohnheit schloss er seinen Wagen ab. Die Eingangstür des Hauses stand offen, eine Frau Mitte dreißig wartete dort. Sie stellte sich als Eileen Carpenter vor.
» Ich kümmere mich um Mrs Vernal. «
» Sie meinen, Sie sind ihre Krankenpflegerin? «
» Und noch so einiges andere mehr. «
Im Flur roch es muffig, aber es war Staub gewischt worden. Carpenter erkundigte sich, ob Fox Tee wünsche.
» Bitte « , antwortete er und folgte ihr ins Wohnzimmer, das über ein riesiges Erkerfenster verfügte. Imogen Vernals Sessel war so platziert, dass sie auf den Garten seitlich am Grundstück blickte.
» Verzeihen Sie, dass ich nicht aufstehe « , sagte sie. Fox stellte sich vor und gab ihr die Hand. Ihre aschblonden Haare waren dünn und fein und ihre Wangen und ihre Stirn voller Flecken. Ihre Haut wirkte fast transparent, die Venen zeichneten sich deutlich ab. Fox schätzte, dass sie kaum mehr als 45 Kilo wog. Aber ihre Augen, wenngleich müde, wirkten durchaus lebendig, die Pupillen waren durch kürzlich eingenommene Medikamente geweitet.
Auf einer Seite ihres Sessels stand ein Esszimmerstuhl, und Fox nahm darauf Platz. Ein Buch lag aufgeschlagen auf dem Boden – die gebundene Ausgabe eines Romans von Charles Dickens. Fox nahm an, dass es zu Eileen Carpenters Aufgaben zählte, ihrer Dienstherrin vorzulesen.
» Beeindruckendes Haus « , sagte Fox.
» Ja. «
» Haben Sie hier mit Ihrem Mann gelebt? «
» Meine Eltern haben es für uns angeschafft – als Hochzeitsgeschenk. «
» Tolle Eltern. «
» Reiche Eltern « , korrigierte sie ihn mit einem Lächeln.
Auf dem Kaminsims standen gerahmte Fotos ihres Mannes. Eines sah vertraut aus: der Redner in Aktion, mit geballten Fäusten richtete er das Wort an sein Publikum.
» Ich wünschte, ich hätte ihn reden gehört « , sagte Fox wahrheitsgemäß.
» Ich glaube, ich habe irgendwo noch Aufnahmen. « Sie hielt inne und hob einen Finger. » Nein « , sagte sie, » die habe ich ja der Nationalbibliothek gestiftet – zusammen mit seinen Büchern und Unterlagen. Es wurden bereits Doktorarbeiten über ihn verfasst. Als er starb, schrieb ein amerikanischer Senator einen Nachruf für die Washington Post. « Sie nickte bei der Erinnerung daran.
» Ein bemerkenswerter Mann « , pflichtete ihr Fox bei. » In der Öffentlichkeit. «
Ihre Augen verengten sich ein wenig. » Charles hat mir von Ihnen erzählt, Inspector. Ein Jammer, was mit dem anderen Mann passiert ist, der gestorben ist … « Sie hielt inne. » Steht Charles draußen vor dem Tor? «
» Ja. «
» Er will mich immerzu beschützen. «
» War er einer Ihrer Liebhaber? «
Sie ließ sich Zeit mit der Antwort, als müsse sie überlegen, wie sie reagieren solle. » So wie Sie das sagen, könnte man meinen, ich sei eine hinterhältige Schlange gewesen. « Ihr schottischer Akzent kam jetzt stärker durch.
» Es hat zumindest den Anschein, dass er große Zuneigung für Sie empfindet. «
» Das ist auch so « , gab sie zu.
» Und dann tauchten ja auch immer wieder Gerüchte auf, Ihre Ehe sei eher stürmisch
Weitere Kostenlose Bücher