Die Suenden der Vergangenheit
mehr so ganz glaubte.
„Warum hast du nicht mit mir gesprochen, bevor du zu diesen Leuten gehst, hm?!“ Mathildas Stimme war plötzlich wieder so sanft und einlullend wie Gloria sie ihr Leben lang kannte.
„Ich... ich... bin... nicht...“ Gloria erstarrte vor Angst, als ihre Tante die immer noch erhobene Hand plötzlich zart an ihre vom Schlag gerötete Wange legte und genauso liebevoll darüber strich wie Morrigan, als sie Gloria in ihrem Büro getröstet hatte.
Mathilda erstarrte ebenfalls.
„Morrigan!“, zischte sie hasserfüllt und sah den Tränen aus Glorias Augenwinkeln beim Fallen zu.
Warum schienen ihre Augen zu fragen. Warum hatte Mathilda ihr nie die Wahrheit gesagt? Warum hatte sie Gloria ihr Erbe vorenthalten? Warum hatte sie nie über deren Eltern gesprochen?
Warum? Warum? Warum?
Wohl aus einem Grund, den sie schon längst vergessen hatte. Nur noch Hass und Verachtung für die Gesellschaft, die sie verlassen hatte, waren übrig geblieben.
„Ich kann dich diesen Leuten nicht überlassen, Gloria. Das verstehst du doch, oder?“
Mathilda sah sie prüfend an und wartete auf ein weiteres, zustimmendes Nicken. Doch Gloria hatte offenbar beschlossen, nicht mehr das brave kleine Mädchen zu sein. Sie schüttelte den Kopf und die Panik verstärkte ihren eigentümlichen Duft, der Mathildas Zorn gleich noch hitziger entflammen ließ.
Der Gürtel um ihre Hüften löste sich wie von Zauberhand und wickelte sich einer Schlange gleich in atemberaubendem Tempo um Glorias Hals. Peters Blut sei Dank waren Mathildas Fähigkeiten, die sich nicht allein auf Wissen beschränkten, auf dem höchsten Punkt seit Jahren. Es war ihr ein Leichtes gewesen, sich hierher zu materialisieren, nachdem sie Glorias Anwesenheit geortet hatte.
Die Schnüre zogen an. Gloria griff sich an ihren Hals und versuchte, ihre Finger zwischen Haut und Gürtel zu bekommen, doch Mathilda reckte das Kinn empor und die Schnüre wurden fester. Erstickend fest.
„Ich habe einen Schwur geleistet, Gloria. Ich werde nicht zulassen, dass sie dich in ihre Finger bekommen und sich an dir vergehen. – Und so leid es mir tut, aber ich fürchte, ich muss dich töten.“
In Mathildas Augen war nur Bedauern aber keine Reue zu lesen, was Glorias schwindende Sinne noch einmal wach werden und heftigst gegen den Tod ankämpfen ließ. Sie konnte nicht glauben, dass ihre Tante tatsächlich Hand an sie legte und sie umbringen wollte.
° ° °
Sie waren auf Übungspatrouille. Catalina mit Nico und Romy mit King. Ohne allerdings ein bestimmtes Ziel dabei zu haben. Es ging vor allen Dingen darum, sich aneinander zu gewöhnen und sich mit der Vorgehensweise des anderen vertraut zu machen, schließlich bestand zwischen Sophoras und ihren Patronas ein besonderes Verhältnis.
Zu demselben Übungszweck hatte Ash seine Frau mit auf einen auswärtigen Einsatz genommen. Die Krieger sollten sich auch zwischen den beiden 'Teams' austauschen können, um die Schlagkraft zu erhöhen und dabei musste man verwandtschaftliche oder sonstige Beziehungen ignorieren lernen. Es gab schon rotierende Pläne für Einsätze, die Ray für sie ausgearbeitet hatte.
Sie waren nicht lange unterwegs, da meldete sich der Pieper, den jede von ihnen an ihrem Waffengürtel trug mit einem durchdringenden Ton, der nur für Immaculate-Ohren zu hören war. Nico verharrte hinter Cat, die in einer dunklen Gasse ihre Fühler nach Feinden ausgestreckt hatte. Die trug ihre bevorzugte Warriormontur mit den Chaps und einem neuen Harnisch, da Nathan ihre alten ja ordentlich zerfetzt hatte. Schwere Stiefel und ein leichten Staubmantel vervollständigten ihr Outfit, da sie die handliche Armbrust unter ihrem rechten Arm verbergen wollte.
Nico trug natürlich nicht die antike Montur von Flavia Halos, da sie damit wohl zu sehr aufgefallen wäre. Diese war mehr für Schaukämpfe und gezielte Einsätze gedacht, wenn man nicht unbedingt ständig Zivilisten über den Weg lief. Da eine ihrer stärksten Waffen ihre Wendigkeit war, trug sie einen hautengen Catsuit und leichte Stiefeletten, die sie nicht mit schweren Absätzen oder Metallbeschlägen behinderten. Dazu trug sie einen hüftlangen Umhang, da sie von einem langen Mantel nur behindert worden wäre. Es galt auch mehr, ihren Waffengürtel zu verbergen, als sich vor der noch herrschenden Wärme zu schützen. Sie waren auch gar nicht bis an die Zähne bewaffnet (immerhin waren sie dank ihrer besonderen Fähigkeiten schon als sehr gefährlich einzustufen).
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