Die Suenden der Vergangenheit
schüttelte diesen so heftig, das sich ein weiteres Symptom namens Gliederschmerzen regte. Gloria verfluchte sich zum wiederholten Mal für ihre Inkonsequenz. Sie hätte eindeutig früher aus der Bar nach Hause gehen müssen.
„Hey, brauchst du Hilfe?“
Eine dunkle, männliche Stimme ein paar Meter vor ihr ließ sie aufschrecken. Gloria hörte auf, gegen Windmühlen zu kämpfen und ließ Jacke Jacke sein.
Vor ihr stand ein Typ, mindestens drei Köpfe größer und doppelt so breit. Er trug ein dunkelgraues Sweatshirt mit Kapuze, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Es lag im tiefsten Schatten, während er mit ihr sprach und Gloria lief ein Schauer des Unbehagens über den Rücken. Der Kerl war ihr absolut unheimlich und er kam noch einen Schritt auf sie zu. Angst stieg in ihr hoch, doch jetzt am Reißverschluss ihres Täschchens zu fummeln und nach dem Pfefferspray zu suchen, wäre die reinste Provokation gewesen. Und sie wusste nicht, ob ihm einer ihrer Tritte oder Schläge überhaupt etwas anhaben könnte. Sie fühlte sich nicht so, als würde sie heute irgendetwas mit den Übungen, die Peter ihr gezeigt hatte, erreichen. Die Angst formte sich zu einer dicken schwarzen Kugel in ihrem Magen.
Nur nicht die Nerven verlieren!
„Nein, ich komm klar!“, brachte sie mit einigermaßen ruhiger Stimme hervor. „Danke!“
Darum bemüht, die innere Hitze und den Schwindel zu ignorieren, der sie quälte, wandte sie sich ab und ging weiter. Sie spürte die Blicke des Fremden wie Nadelstiche in ihrem Rücken. Bloß keine Schwäche zeigen.
Schön weitergehen, Gloria. Nicht umsehen und wenn du um die Ecke bist, läufst du wie ein.. .vergiss es! LAUF!
Wie von einer Tarantel gestochen, sprintete sie plötzlich los, in der Hoffnung, den Mann abzuhängen. Doch dieser hatte gar nicht vor, ihr zu folgen.
So schnell Gloria konnte, rannte sie um den Häuserblock weiter die Straße runter. Sich ja nicht danach umschauend, ob ihr jemand folgte. Handtasche und Schuhe fest an sich gepresst. Da sie allerdings nicht in der Verfassung war, dieses Tempo dauerhaft ohne Folgen durchzuhalten, schmerzte nach ein paar Sekunden jeder einzelne Atemzug und der Schweiß, der ihr nun in Bächen am Körper herunterlief, biss ihr in den empfindlichen Augen.
Trotzdem rannte sie weiter. Der vermeintliche Angreifer hatte sich in ihren Gedanken festgebissen und ließ den Angstball in ihrem Magen immer größer und dicker werden. Gleich würde sie sich in den nächsten Mülleimer übergeben, fürchtete sie, doch sie rannte und rannte. Penn Station war fast in Sichtweite.
Mit dem Hindernis, das sich ihr plötzlich in den Weg stellte, hatte sie allerdings nicht gerechnet. Hart prallte Gloria dagegen und ging mit einem Aufschrei samt Hindernis zu Boden.
„Sorry!“, sagte sie automatisch, als sie schnell gewahr wurde, dass es sich dabei um eine Frau ihres Alters handelte.
Diese hielt sich den Kopf, schien aber nicht ernsthaft verletzt zu sein. Sie murmelte etwas, das Gloria nicht verstand. Diese hatte sich inzwischen auf die Knie aufgerappelt und begutachtete die Löcher und Laufmaschen in der Strumpfhose, die das Pflaster hinterlassen hatte. Auf dem linken Knie war eine dicke Schramme. Es blutete ein bisschen und lief das Schienbein hinab.
„Schöner Mist!“ Gloria fluchte leise, weil ihr das gerade noch zu allem Übel gefehlt hatte und fragte die andere dann, ob ihr etwas fehlte und ob Gloria ihr ihre Karte geben könnte, damit sie bei eventuellen Folgeschäden wusste, wen sie dafür verantwortlich machen konnte.
„Ich hab Sie wirklich nicht gesehen! Es tut mir leid. Wirklich aufrichtig leid!“, entschuldigte Gloria sich in ihrem besten, unterwürfigst klingenden Ton. So langsam beruhigte sich auch ihr Atem im Sitzen wieder, doch ihr Puls jagte immer noch in gebirgsgleichen Höhen herum und das Blut war mittlerweile bis zu ihrem Fuß heruntergelaufen. Gloria suchte neben der Karte in ihrer Handtasche ein Taschentuch, konnte aber keine finden. Heute war wohl wirklich nicht ihr...
„Oh, Danke!“ Gloria lächelte erfreut, als ihr die Frau weiterhin schweigend ein Taschentuch reichte. Erst jetzt hatte sie Gelegenheit, sie richtig anzuschauen, da sie vorher zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war.
Sie war hübsch. Wie Barb und Sadie. Nein, eher beide zusammen. Im Gegensatz zu Gloria schien sie immer noch wie aus dem Ei gepellt zu sein. Langes, blondes Haar. Jeans, die natürlich oder Gott sei Dank nirgendwo gerissen waren, da sie
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