Die Suenden der Vergangenheit
gesehen haben, wie sich eine andere Frau über die Patientin beugte und ihr...“ Der Arzt räusperte sich, weil die Beobachtung vollkommen idiotisch und wie aus einem schlechten Horrorfilm klang. „...Blut trank. Laut den Zeugen war sie oben bis unten voll davon und schien vollkommen übergeschnappt zu sein. Die Frau konnte fliehen. Die Polizei sucht nach ihr und der Lokführer der Bahn hat uns alarmiert.“
Der Gefäßspezialist sah ihn genauso ungläubig an wie vermutet.
„Ein Junkie also!“, stellte er trocken fest. „Diese verdammten Idioten tun auch alles, um an Geld für ihren verfluchten Stoff zu kommen. Das sieht übel aus. Vollkommen zerfetzt und für was?“
Reiner Zynismus, der einen in Ruhe seinen Job tun ließ.
Ein neuer Schwall Blut, den man ihr gerade erst per Infusion hatte zukommen lassen, schoss nach oben. Unterdruck?
Wenn das so weiter ging, würde sie bald tot sein. Die Blutung am Hals ließ sich nicht stoppen. Irgendetwas im Körper der Patientin, die stabilisiert und bewegungsunfähig in einem Transportkasten lag, um die Folgen der Schädelfraktur so gering wie möglich zu halten, sorgte dafür, dass das Blut immer wieder nach oben quoll. Als wäre die Wunde gerade geschlagen worden und ihr Puls so kräftig und ausdauernd wie der eines Hochleistungssportlers.
Dabei zeigte das EKG, an das man sie geschlossen hatte, kaum noch Aktivität. Bei dem schwachen Blutdruck war es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den Löffel abgab. Genauer gesagt eine Frage von Minuten. Das EEG war in Ordnung. Sie musste unbedingt ins CT, doch als eine der Laborassistentinnen die vorläufigen Testergebnisse präsentierte, wussten alle, das dafür keine Zeit mehr blieb. Die Austrittswunde am Hals musste unbedingt kalt gestellt werden. Das hatte absoluten Vorrang vor allem. Solange die Frau nicht aufhörte zu bluten, war die optimale Hirnfunktion sowieso bald Geschichte.
„Kammerflimmern!“, warf die Schwester, die die Vitalfunktionen überwachte in den Raum und kurz darauf: „Herzstillstand!“
Etwas später im Eagle Building
Ash hatte sich ihnen schließlich angeschlossen und danach war der Alkohol in Strömen geflossen. Ein bisschen musste er das mulmige Gefühl mit dem Brennen des Alkohols bekämpfen, das das Gespräch mit Heather in ihm hinterlassen hatte. Er war bei Weitem nicht so abgebrüht wie Theron, wenn es um die Handhabung von Lost Souls ging und Heather hatte lange eine Sonderstellung inne gehabt, die sie wohl fälschlicherweise als Basis für Hoffnung gehalten hatte. Immerhin trug sie seinen Nachnamen. Das war auch der Grund, warum Theron sich mit der Umwandlung zurückhielt und lieber seinen Vater solche Dinge überließ. Nichts sollte ihn von seinen Aufgaben abhalten.
Ash war nicht weiter in sie gedrungen, aber wusste, dass er ihr ungewollt das Herz gebrochen hatte. Er durfte diese Sache aber nicht ansprechen. Heather würde es ihm übel nehmen und vielleicht etwas Unbedachtes tun. Vielleicht machte ihr das endlich klar, dass sie ihr Leben nicht auf das Abstellgleis schieben konnte. Schon gar nicht seinetwegen. Da draußen gab es jede Menge Kandidaten, die seine Clubchefin gern an ihrer Seite gewusst hätten.
Sobald er an Wendys Seite war, war jeglicher Gedanke an Heather verflogen. Es sollte ein schöner Abend mit Freunden werden. Der lockere Abschluss ihrer Flitterwochen, da die Realität sie schnell genug einholen würde. Sie hatten ja schon den Prozess um Sterling verpasst, was ihn eigentlich ziemlich erleichtert hatte, nachdem er sich den Bericht von Theron darüber angehört hatte. Das wäre eindeutig zu viel für Awendela gewesen. Nico an das Biest ausgeliefert zu sehen, das er persönlich mit für ihre Leiden verantwortlich hielt, hätte sie nur fertig gemacht. Es genügte zu wissen, dass die Kleine Sterling gerichtet hatte, wie er es verdiente.
„Sieh mal, Wendy! Diese kleine Spielerei ist ganz allein für dich“, flüsterte er seiner Frau ins Ohr, als der Lightjay ihm das verabredete Zeichen gab.
Nico hatte ihm schließlich doch erzählt, was sie vor einiger Zeit im Club gesehen und als Einbildung abgetan hatte. Nun war die Vision zum Leben erwacht. Ein gleißend weißer Tiger, der über den Köpfen der Gäste durch den Club sprang und schließlich über ihrem Tisch in sprühendem Meerschaum aufging. Sein LJ war der Beste in seinem Job und konnte mit Lasern wahre Wunder vollbringen. Er zog Wendy vor aller Augen in seine Arme und küsste sie ohne jegliche
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