Die Sünden des Highlanders
ersparen. Wenn er lügen musste, um sie zu beruhigen, würde er es tun. Wenn seine Verwandten die Wahrheit aus ihm und Simon herauspressten, dann würde er sie mit Drohungen dazu bringen, der Mutter möglichst wenig zu sagen.
»Fertig?«, fragte Simon.
Tormand war überrascht, seinen Freund auf der Schwelle seines Schlafgemachs stehen zu sehen, denn er hatte ihn nicht kommen hören. »Aye, ich glaube schon. Ein lästiger Haufen«, murrte er . »Ich habe sie nicht eingeladen, vor allem, weil ich weiß, dass sie mich mit Fragen löchern werden.« Kaum hatte er sich gewaschen, hatte sein Bruder schon an die Tür geklopft und ihn aufgefordert, nach unten zu kommen. »Sie sind nur hier, um ihre langen Nasen in meine Angelegenheiten zu stecken«, fauchte Tormand.
Simon lächelte matt. »Manche Leute wären froh über eine solche Fürsorge, ja, sie wären sogar schon froh über eine Familie.«
Tormand bedachte Simon mit einem missgünstigen Blick. Er wusste zwar, dass sein Freund recht hatte, aber er hatte keine Lust, ihm das zu sagen. Außerdem wusste er, dass Simon fast keine Verwandten mehr hatte, und die wenigen, die er noch hatte, kümmerten sich nicht um ihn. Tormand war klar, dass er großes Glück hatte mit seiner Familie. Doch manchmal hätte er bereitwillig einen Teil seines Glücks einem anderen in den Schoß geworfen.
»Ich würde zu gern wissen, wie sie von meinen Schwierigkeiten erfahren haben«, meinte er, während er neben Simon zur Großen Halle ging.
»Bist du denn sicher, dass sie wegen der Morde hier sind?« »Ganz sicher. Da wir uns vor nicht allzu langer Zeit trafen, hatten sie jetzt bestimmt kein brennendes Verlangen, mich so bald wiederzusehen.«
Sobald Tormand die Große Halle betrat, fielen die Blicke seiner vier Verwandten auf ihn. Seine Cousins Rory und Harcourt wirkten leicht belustigt, seine Brüder Bennett und Uilliam eher zurückhaltend. Sie wussten, dass ihr Bruder seine Familie nicht in seine Schwierigkeiten verwickeln wollte. Tormands Blick fiel auf Walter, und seine Augen wurden schmal. Sein Knappe kämpfte auffallend um eine Unschuldsmiene.
»Ich glaube, ich weiß, wer meinen Verwandten Bescheid gesagt hat«, erklärte Tormand Simon leise.
»Na ja, aber bring ihn bitte nicht gleich um«, erwiderte Simon ein wenig belustigt. »Ich habe mich auf eine gute Mahlzeit gefreut.«
»Na gut, dann eben später.«
Tormand straffte die Schultern und schritt an seinen Platz, wobei er sich Mühe gab, möglichst unbefangen zu wirken.
5
Noch während sie sich die leeren Bäuche füllten, berichteten Tormand und Simon alles, was in letzter Zeit vorgefallen war. »Du musst weg von hier«, sagte Bennett sofort, als sie mit ihrem Bericht fertig waren. »Wenn du nicht hier bist, kann dir niemand die Morde anlasten. Du musst nur warten, bis der Mörder gefasst ist oder bis ein weiterer Mord geschieht. Für etwas, was passiert, wenn du meilenweit weg bist, kann man dir keine Schuld geben.«
Das stimmte zwar, aber Tormand konnte seinem jüngeren Bruder trotzdem nicht rückhaltlos beipflichten. Er war hin- und hergerissen. Wenn die Frauen seinetwegen ermordet wurden, konnte es vielleicht sogar ein Leben retten, wenn er nicht da war. Doch genauso gut konnte der Mörder ihm folgen, wohin er sich auch wandte, und anfangen, die Frauen dort umzubringen, wo er sich niederließ.
Es war ihm einigermaßen peinlich, sich eingestehen zu müssen, dass es für ihn nicht sehr viele Zufluchtsorte gab, wo nicht auch Frauen wohnten, mit denen er nicht ins Bett gegangen war oder von denen vermutet wurde, dass er es getan hatte. Selbst die Frauen im Haus seiner Familie konnten gefährdet sein, auch wenn er eine Frau, die für ihn oder für seine Verwandten arbeitete, nie zur Geliebten genommen hatte. In seiner Familie herrschte nämlich die ungeschriebene Regel, dass die Männer die Frauen des Gesindes in Ruhe zu lassen hatten. Daran hielt sich so gut wie jeder seiner Verwandten. Doch das hieß nicht, dass der Mörder seiner ehemaligen Geliebten von dieser Regel wusste oder davon ausging, dass Tormand sie befolgte. Nur wenige Leute gingen davon aus.
Außerdem hätte eine Flucht den faden Beigeschmack von Feigheit gehabt. Er wusste zwar, dass der Stolz schon so manchen Mann zu Fall gebracht hatte, aber er konnte nicht darüber hinwegsehen, dass ihn sein Stolz allein bei dem Gedanken davonzurennen immer fester packte. Darüber hinaus hätte es den wachsenden Verdacht gegen ihn nur verstärkt, wenn er jetzt weglief,
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