Die Sünden des Highlanders
Meute auch gegen mich wenden könnte. Deshalb suchte ich mir verschiedene Verstecke im umliegenden Wald. Dort gibt es einen großen, alten Baum, dessen Wurzeln so dick sind, dass sie auch über der Erde wachsen. Ich musste nur ein wenig graben, bis ich eine Höhle zwischen diesen Wurzeln hatte, in der ich mich hervorragend verstecken konnte.«
»Sehr schlau, vor allem, weil Ihr damals ja fast noch ein Kind wart«, meinte Simon.
»Selbst das kleinste Kind hängt an seinem Leben.«
»Richtig. Also, Mistress, wenn Ihr beim Essen sprechen könnt, würde ich sehr gern erfahren, was Euch zugestoßen ist.«
»Ich fürchte, bei den Mördern, nach denen Ihr sucht, handelt es sich tatsächlich um einen Mann und eine Frau.«
Zwischen den einzelnen Bissen berichtete Morainn alles haarklein. Das, was das mörderische Paar zueinander gesagt hatte, streifte sie allerdings nur kurz. Vielleicht bargen diese Worte ja einen klaren Hinweis, wer die Leute waren, und sollten deshalb sorgfältiger erörtert werden und nicht nur im Rahmen einer Geschichte, wie man sie am Kaminfeuer hört. Zweifellos würde Simon jedes einzelne Wort dieser Ungeheuer sorgfältig überdenken wollen.
»Der Mann hatte sehr große Füße«, sagte Walin, als Morainn mit ihrem Bericht fertig war. »Und sein Pferd war auch riesig, und es hatte ein weißes Bein.«
Morainn sah den Jungen verwundert an. »Hast du gelugt?« In ihr regte sich ein gewisser Zorn, gewachsen aus der Sorge um Walin. Er hätte leicht ertappt werden können, und sie hätte ihn nicht retten können.
Walin errötete schuldbewusst. »Nur mit einem Auge, Morainn. Ich habe mich nicht gerührt und auch meinen Kopf nicht aus unserem Versteck gestreckt.«
»Welches Bein hatte denn weiße Stellen?«, wollte Simon wissen.
»Das rechte Vorderbein«, erwiderte Walin prompt.
»Na gut. Hast du denn noch etwas gesehen mit deinem einen Auge?«
»Nein, nur dass der Mann sehr, sehr groß war und auf einem sehr, sehr großen Pferd saß. Ich hätte mich bewegen müssen, um ihn besser zu sehen.«
»Sie waren also ganz in eurer Nähe.« Simon sah auf Morainn. »Ihr habt doch gesagt, dass Ihr sie hören konntet. Aber Ihr habt noch nicht erzählt, was sie gesagt haben. Habt Ihr sie denn nicht verstehen können?«
»Doch, doch.« Bei der Erinnerung an die eisige Stimme und an den Wahnsinn, der bei jedem Wort dieses Weibs durchschien, hätte Morainn fast wieder zu zittern begonnen. »Ich glaube, das Wichtigste war, dass sie beide bluteten. William hat wohl einigen Schaden im Gesicht der Frau angerichtet. Göttliche Gerechtigkeit, könnte man sagen«, murmelte sie, wobei sie unwillkürlich an das denken musste, was die Mörder ihren Opfern angetan hatten. »Der Kater landete auf ihrem Kopf, und ich sah, dass er ihr Gesicht und ihren Kopf zerkratzte und zerbiss. William hat sehr lange Krallen, die Wunden könnten also ziemlich tief sein. Der Mann hat zwei Schnitte abbekommen, obwohl ich nicht weiß, wie tief – einen am Arm oder an der Hand, den anderen irgendwo an seinem Körper. Jedenfalls habe ich ihn zweimal erwischt. Da er mir gleich wieder auf den Fersen war, waren seine Wunden wahrscheinlich nicht besonders schlimm. Er machte sich hauptsächlich Sorgen um ihre Verletzungen und darum, dass sie eine Spur auf dem Boden hinterließen. Vielleicht könnte ein Hund die Spur finden und verfolgen.«
Simon nickte. »Fällt Euch sonst noch etwas ein?«
»Sie beobachten Sir Tormand.« Nach einem raschen Blick auf Tormand sah sie wieder auf ihren fast leeren Teller. Der stete Blick seiner wunderbaren, verschiedenfarbenen Augen erregte etwas sehr Weibliches und eine tiefe Sehnsucht in ihr, sie wollte aber ihren Bericht mit ruhiger und fester Stimme beenden. »Sie wussten, dass Ihr mich aufgesucht habt, und sie gingen davon aus, dass Ihr meine Kräfte nutzen wollt, um sie aufzustöbern. Die Frau will mich unbedingt tot sehen, damit ich Euch nicht helfen kann, sie zu finden.« Sie sah Simon an. »Sie meinte, Ihr wollt meine Gabe nutzen, um sie zu finden, aber sie hat ihr Werk noch nicht vollendet.«
»Aber warum tun die beiden das?«, fragte Tormand und fuhr sich durch sein dichtes Haar.
Morainn nahm einen großen Schluck Apfelmost, doch sie schaffte es nicht, ihre Angst und die Erinnerung an die gewalttätige Verrücktheit, die in der letzten Nacht in der Luft gelegen hatte, hinunterzuspülen. »Sie will, dass Ihr für all das bezahlt, was sie erdulden musste, Sir Tormand, für das, was sie als Schande und
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