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Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)

Titel: Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Nugent
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was ich mir vorgestellt hatte. Ich hatte Lady Chatterley zweimal gelesen, zumindest das Wesentliche. Danach war ich zu dem Schluss gekommen, dass Sex sehr irdisch, ja urwüchsig sein müsse, aber dabei auch etwas Leichtes, Tänzerisches hätte. In der rauen Wirklichkeit sah das dann aber doch sehr primitiv und animalisch aus. Eher Joyce (von dem ich auch das Wesentliche gelesen hatte) als Lawrence. Ich kam mir gleich doppelt pervers vor: erstens scharf auf einen Mann, der es zweitens gerade mit meiner eigenen Schwester trieb. Schande über mich.
    Jetzt im Nachhinein ist mir eigentlich klar, dass sie es gewusst haben müssen. Dass ich schwul war, meine ich. Nicht dass ich mich besonders tuntig benommen hätte, aber mein offensichtliches Desinteresse an der holden Weiblichkeit hätte schon Anlass zu Vermutungen geben können. In einer drückend heißen Julinacht, nach einigen Krügen besten Landweins und ein paar Zügen von einer süßlich riechenden Zigarette, die einer der Einheimischen mitgebracht hatte, ist es mit mir durchgegangen. Es fing ganz harmlos damit an, dass wir eine alkoholisierte Variante von »Wahrheit oder Pflicht« spielten. Auf jede Frage musste man entweder ehrlich antworten oder zwei Fingerbreit Wein trinken. Als die Reihe an mir war, fragte mich eins der Mädchen, wen von ihnen ich gern küssen würde. Mittlerweile glaube ich, dass es eine Suggestivfrage war. Mit angehaltenem Atem warteten alle auf meine Antwort. Und ich weiß nicht, was mich geritten hat, auf jeden Fall bin ich Oliver um den Hals gefallen und habe vor versammelter Mannschaft verkündet:
    »Ich bin in Oliver verliebt!«
    Laura hat mir eine runtergehauen. Oliver hat gelacht; sein Lachen tat mehr weh als ihre Ohrfeige. Dann zerrte Laura mich nach draußen, verfluchte meine Trunkenheit und nannte mich einen Idioten. Sie war außer sich vor Wut und schrie mich an, was mir denn einfalle, mich so zum Gespött zu machen. Ich dürfe nicht schwul sein. Dad würde mich umbringen. Es war unmoralisch. Pater Ignatius wäre schockiert. Was musste Oliver jetzt von mir denken. Und so weiter und so fort.
    Ich weiß nicht mehr, wie ich in jener Nacht ins Bett gekommen bin, aber als ich früh am nächsten Morgen aufwachte, empfand ich nichts als Furcht, Entsetzen und Scham. Ich drehte mich zu Oliver um. Er lag auf dem Rücken, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, und sah mich an.
    »Nicht schwul sein«, sagte er. »Ich kann Schwule nicht leiden, perverse Dreckskerle.«
    Ich fügte mich in mein Elend und wandte mich wieder ab; hektisch blinzelte ich gegen meine Tränen an.
    »Du hast einfach noch nicht die Richtige gefunden«, hörte ich ihn sagen. »Keine Erfahrung, das ist dein Problem. Wird Zeit, dass du endlich mal eine flachlegst. Keine Sorge, überlass das mir. Ich kümmere mich darum.«
    Er sprang aus dem Bett, zerzauste mir die Haare und schlug mit seinem Handtuch nach meinem Hintern unter dem schweißnassen Laken. Wenn er mich damit abtörnen wollte, ging die Sache voll daneben. Trotzdem beschloss ich mitzuspielen. Schließlich konnte Oliver keine Schwulen leiden.
    Madame Véronique sei Witwe, klärte Oliver mich auf. Und Witwen wären bekanntlich »allzeit bereit«. Außerdem sei sie Französin und somit von Natur aus sexy. Dass sie doppelt so alt war wie ich, stellte seiner Ansicht nach kein Hindernis dar. Oliver ermunterte mich, ihr näherzukommen. Ihr zu den Essenszeiten in der Küche zu helfen, ihr Komplimente über ihre Kleider, ihre Frisur und so weiter zu machen. Lächerlich, ich weiß, aber indem ich mich darauf einließ, konnte ich meine Erfahrungen mit Oliver teilen, mich ihm anvertrauen, mit ihm zusammen sein.
    Wen wundert es, dass Madame meine Aufmerksamkeiten einigermaßen befremdlich fand. Aber welch fantastische Frau! Ihr verdanke ich all mein Können – in der Küche. Sie hat meine kulinarische Leidenschaft entflammt und meine Geschmacksknospen stimuliert, wenn auch nicht mehr. Irland war zu jener Zeit noch gastronomisches Niemandsland; Petersiliensauce galt als das Höchste der Gefühle. Nun jedoch lernte ich, dass Gemüse in kochendes Wasser zu schmeißen nicht die einzige Art seiner Zubereitung war, dass sich aus Pastetenteig Kunstwerke fertigen ließen, dass man Fleisch räuchern, pökeln, grillen und schmoren konnte, dass Kräuter und Gewürze Geschmack gaben und dass Knoblauch existierte.
    Meine kulinarische Unterweisung verdankt sich dem Zufall oder vielmehr einem Unfall. Als ich mich eines Morgens an der

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