Die Sünden meiner Väter: Roman (German Edition)
einfacher Automechaniker, der sich mit dem Verkauf von Gebrauchtwagen ein bisschen was dazuverdient hat. Damals habe ich auch wieder bei meiner Mam in den Villas gelebt. Sie hat jemanden gebraucht, der sich ein bisschen um sie kümmert, und Susan war ja nicht mehr da. Ich hab mein Lebtag noch keine Universität von innen gesehen. Oliver würde schon gut für Alice sein, hab ich mir gesagt, auch wenn er immer so ein bisschen arrogant daherkam. Nachdem sie geheiratet hatten, sind sie in die Stadt gezogen, und wir haben uns ein paar Jahre nicht gesehen. Aber nachdem Mrs O’Reilly tot war, sind sie hierher zurückgezogen, wieder in das alte Haus, zusammen mit Eugene, und von da an ist man sich natürlich öfter über den Weg gelaufen. Sie haben sich dann schnell mit der vom Fernsehen angefreundet, dieser Moya Blake, die nebenan eingezogen ist. Damit war die Sache für mich eigentlich gelaufen. Moya war einhundert Prozent Avenue, und wenn das jetzt ihre neuen Freunde waren … na ja. Vornehm hoch fünf, wenn Sie wissen, was ich meine. Nicht, dass sie so getan hätten, als würden sie mich nicht mehr kennen, das nicht. Oliver hat mir auf der Straße zugenickt, Alice hat immer ein bisschen schuldbewusst dreingeschaut, und irgendwann war dann Gras über die Sache gewachsen. Ich hab einfach versucht, mir das nicht mehr zu Herzen zu nehmen. Verdammt schwer, kann ich Ihnen sagen.
Mit den Besuchen bei Eugene war’s dann natürlich aus. Ich habe ihm erklärt, dass Alice wieder zu Hause wäre und sich um ihn kümmern würde, weshalb ich doch nicht mehr zu kommen bräuchte. Kam mir zumindest so vor, als würde er mich verstehen. Oliver und Alice haben selbst nie Kinder gehabt. Komisch eigentlich. Ich hatte immer gedacht, dass Alice bestimmt mal eine tolle Mutter sein würde. Aber vielleicht konnte sie ja keine bekommen. So was kann man ja schlecht fragen, und ich habe es auch nie getan. Ging mich ja jetzt nichts mehr an.
Was ich wirklich nie verstanden habe, war, warum sie Eugene ins St. Catherine’s ganz ans andere Ende der Stadt gegeben haben. Das hat mich echt schockiert, ehrlich wahr. Von Alice war nicht viel zu erfahren, aber John-Joe aus dem Nash’s hat mir dann erzählt, wie Oliver gemeint hätte, dass Eugene nach dem Tod der Mutter wohl ziemlich schwierig geworden wäre. Angeblich hatten sie gar keine andere Wahl, als ihn ins Heim zu stecken. Gut, Eugene hatte seitdem ganz schön an Gewicht zugelegt und sah ein bisschen niedergeschlagen aus, aber wenn wir uns mal zufällig getroffen haben, hatten wir immer noch unseren Spaß miteinander. Hätte ich nie gedacht, dass sie ihn mal weggeben. Eine Schande ist das, wenn Sie mich fragen, wirklich. Am Anfang bin ich noch ein paar Mal rübergegangen und habe angeboten, Eugene tagsüber aus dem Heim zu holen, bis Oliver dann meinte, das sollte ich mir aus dem Kopf schlagen. Es würde Alice nur aufregen, wenn ich nach ihm frage. Oliver meinte auch, es wäre keine gute Idee, ihn zu besuchen; wahrscheinlich würde Eugene mich sowieso nicht erkennen und nur aggressiv werden. Der arme Kerl. Hätte ich nie geglaubt, dass er mal so wird, aber Oliver war in der Sache unerbittlich, und irgendwann gab ich nach. Damals dachte ich ja sowieso noch, dass Oliver alles besser wüsste als ich.
Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder Alices Hand halten würde oder dass ich Eugene wieder um mich hätte. Aber das Leben ist doch immer für eine Überraschung gut.
VI
MICHAEL
Als wir nach Frankreich fuhren, wusste ich im Grunde schon, dass ich homosexuell war. Dennoch wollte ich es nicht wahrhaben und redete mir ein, das wäre nur eine Phase, die sich auswachsen würde. Obwohl ich mir meine Zukunft nie als glücklich verheirateter Familienvater vorgestellt hatte, war ich immer davon ausgegangen, dass ich eines Tages heiraten würde, Kinder in die Welt setzen und auch sonst tun, was man von mir erwartete. Doch in jenem Sommer konnte ich mir nicht länger etwas vormachen. Ich war scharf auf Oliver, aber ich konnte es ihm nicht sagen. Homosexualität wurde in Irland erst 1993 legalisiert; bis dahin galten wir laut einem Gesetz von 1885 als Kriminelle.
In unserem Quartier stand Olivers Bett gleich neben meinem, und ich bekam es jedes Mal mit, wenn er sich nachts rausschlich, um sich mit meiner Schwester zu treffen. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den beiden einmal gefolgt bin und zugesehen habe, wie der Mond seinen blassen Schein auf ihr plumpes Treiben warf. Nicht gerade das,
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