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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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auch immer, aber halte sie von ihrem Gemach fern. Du musst sie ablenken.«
    »Wieso? Was …?«
    »Tu bitte einfach, was ich sage.«
    »Ich wüsste nur gerne …«
    »Das ist eine lange Geschichte, Elicia, und wir haben wenig Zeit. Später erkläre ich dir alles.«
    Ich hoffte, dass es Elicia gelänge, Bilhildis eine Weile abzulenken. Andernfalls hätte ich Bilhildis ’ Kammer gegen ihren Widerstand durchsuchen müssen, doch da sie Anklägerin wie auch Zeugin war, war das nicht statthaft. Ich wartete in der Nähe ihrer Kammer darauf, dass sie zu Elicia gerufen würde. Die drei traurigen Bardinnen traten bei ihr ein, kamen jedoch eine Weile nicht wieder heraus. Dann sah ich Bilhildis seltsamerweise aus der Kammer neben der ihren herauskommen und in ihre eigene Kammer hineingehen, die sie kurz darauf in Richtung von Elicias Gemach verließ. Ich wartete, bis sowohl sie als auch die drei traurigen Bardinnen außer Sichtweite waren, dann verließ ich mein Versteck. Bevor ich die Kammer von Bilhildis betrat, steckte ich meinen Kopf in die benachbarte Kammer, wo ich jedoch nur einen jungen Mönch sah, mit dem ich einen kurzen Blick tauschte. Ich entschuldigte mich für die Störung und schloss die Tür wieder. Ich konnte mir nicht erklären, warum er in der Burg war und weshalb Bilhildis ihn aufgesucht hatte, doch ich hatte es eilig und verlor keinen Gedanken mehr daran.
    (Erst jetzt, wo ich den ganzen Tag noch einmal in Gedanken durchgehe, fällt mit der Mönch wieder ein.)
    In Bilhildis ’ Kammer durchsuchte ich jeden Winkel nach Schriftstücken. Ich fand einen Kohlestift und mehrere Blätter unbeschriebenes Lumpenpapier, doch nichts, was meine Neugier befriedigt hätte. Ging ich in die Irre? Hatten diese Schriftstücke, die ich bei ihr gesehen hatte, überhaupt eine Bedeutung für mich? Und wenn ja, waren sie nicht schon längst von ihr vernichtet worden? Immerhin lag die Begebenheit mehrere Monate zurück.
    Doch so schnell gab ich nicht auf. Verborgenes zutage treten zu lassen, ist eine der wichtigsten Aufgaben, wenn man Vikar ist, und das gilt sowohl für Unsichtbares, wie zum Beispiel Gedanken, als auch für Gegenständliches. Die meisten Menschen sind beim Verbergen von Geheimnissen einfallsreicher als beim Verbergen von Sachen, und wer in einer Burg lebt, hat zusätzlich zu den geistigen Beschränkungen auch noch mit solchen der Umgebung zu kämpfen. Welche Möglichkeiten gab es? Truhen, in Kleidung eingenähte Taschen und die Tiefen des Nachtlagers – dies alles hatte ich bereits untersucht – sowie das Mauerwerk. Ich schritt die Wände ab und wurde bei einem lockeren Ziegelstein fündig. Er ließ sich leicht herausziehen, und zum Vorschein kamen ein prall gefüllter Beutel mit Geld – der mich zwar nicht interessierte, doch immerhin außergewöhnlich war für ein bis vor Kurzem leibeigenes Ehepaar – sowie etliche Blätter beschriebenen Lumpenpapiers. Ich nahm sie an mich, steckte den Ziegelstein ins Mauerwerk zurück und verließ die Kammer.
    Was ich, in meinem Gemach sitzend, las, ließ mir den Atem stocken. Bilhildis hatte nicht weniger geschrieben als die Geschichte einer ungeheuerlichen Vergeltung, Seiten über Seiten voll mit schwarzer Seele aus schwarzem Stift. Während meine Augen über die Zeilen flogen, wurde es immer dunkler und kälter in meinem Gemach, dunkler und kälter auch in meinem Innern, bis die eine Nacht an die andere grenzte. Nur wer so nahe wie ich daran gewesen war, sich dem Teufel als Beute anzubieten, kann das ganze Ausmaß meines Erschreckens verstehen. An manchen Stellen des Textes blickte ich in den Abgrund, der auch der meine gewesen war und von dem ich nur einen Fußbreit entfernt gestanden hatte.
    Als ich mich nach einer Stunde des Entsetzens wieder gefasst hatte, sah ich zähneknirschend ein, dass ich Bilhildis nicht nur unterschätzt, sondern auch viel zu behutsam behandelt hatte. Wenn ich schon im Herbst des letzten Jahres, als ich ihr Geheimnis entdeckt hatte, zu Elicia und der Gräfin gegangen wäre … Bilhildis hatte uns alle umgarnt, und wir hatten es noch nicht einmal gemerkt. Das Schlimmste daran war, dass das Gift, mit dem sie uns lähmte, aus unseren eigenen Ingredienzien hergestellt worden war: Sünden, Verbrechen, Heimlichkeiten, Frevel. Damit wollte sie uns nun zerstören.
    Obwohl sie es in ihrem Bericht nicht ausdrücklich erwähnte, ging ich nach der Lektüre davon aus, dass sie Agapet getötet hatte. Ihr Beweggrund: Eifersucht. Ich erkannte auch ihre

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