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Die Suendenburg

Die Suendenburg

Titel: Die Suendenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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allem überraschend zu erscheinen, damit man sich nicht allzu gut vorbereiten konnte.
    In Konstanz waren eine Woche zuvor zwei Boten mit Briefen eingetroffen, die beide den Tod Agapets meldeten, jedoch unterschiedliche Erwartungen beinhalteten. Der eine Brief war vom neuen Graf Aistulf sowie seiner Frau, Agapets Witwe, unterzeichnet, welche darum baten, die gerichtliche Erlaubnis zu erhalten, gegen eine der Mordtat überführte Heidin ein Bußverfahren einleiten zu dürfen. Der andere, von Agapets Tochter unterzeichnete Brief bezweifelte die Schuld der besagten Heidin und war, wenn man zwischen den Zeilen las, sowohl Hilferuf als auch Anklage. Doch Anklage gegen wen? Es war dieser Brief der Tochter, der sofort mein Interesse geweckt hatte. Mein Gefühl sagte mir, dass ich diese zornige Anklägerin unbedingt kennenlernen musste.
    Ich und mein Schreiber wurden im Hof von einem knöchrigen Alten empfangen: schiefes, spitzes Kinn, Augen schwarz wie Kohlen, kaum Augenweiß, sein Gesicht gebräunt und seltsam ledern, seine Finger gichtig.
    »Ihr habt Euch eine ungünstige Stunde für Eure Ankunft ausgesucht, Herr.«
    »Wir werden beide damit zurechtkommen müssen.«
    »Es ist nur so, Herr, dass der neue Graf ausgeritten ist, und die Gräfin schläft nachmittags immer eine Weile. Soll ich sie wecken?«
    »Nein. Wie ist dein Name?«
    »Raimund. Seid Ihr gekommen, um die Heidin hinzurichten?«
    »Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, ein Verbrechen zuerst zu untersuchen, bevor ich das Urteil spreche und jemandem den Kopf abschlagen lasse.«
    »Eine Untersuchung ist überflüssig. Die Zauberin war ’ s.«
    »Welche Zauberin?«
    »Die Heidin. In ihrer Heimat ist sie gewiss eine Zauberin.«
    »Seit wann muss man zaubern können, um jemandem die Kehle durchzuschneiden?«
    »Nur sie kann es gewesen sein. Wisst Ihr, warum?«
    »Woher sollte ich das wissen? Oder hältst du auch mich für einen Zauberer?«
    »Weil ich den Grafen ausgekleidet habe, bevor er von seinem Gemach ins Bad ging, und niemand außer mir war anwesend, und es gibt nur einen Eingang zum Bad, und zwar von Graf Agapets Gemach, und ich blieb im Gemach, und niemand außer der Heidin …«
    »Das ist interessant, nur bin ich eben erst angekommen und möchte in mein Quartier gebracht werden. Ich komme später auf deine Beobachtungen zurück.«
    »Ich bin Leibeigener, Herr, mein Zeugnis wird vor Gericht nicht anerkannt.«
    »Das ist wahr.« Ich hatte dieses Gesetz nicht gemacht, und ich hätte es auch nie gemacht, aber es war uralt, und ich musste mich daran halten. Um ein Urteil zu begründen, durfte ich Beobachtungen von Leibeigenen nicht heranziehen. Aber es war nicht verboten, sie zur Kenntnis zu nehmen.
    »Ich glaube, du solltest mir das alles aufschreiben.«
    »Ich kann nicht schreiben, Herr.«
    »Wie dumm von mir, das hatte ich nicht bedacht. Wende dich an meinen Schreiber, Bernhard.«
    »Meine Frau schreibt ’ s für mich auf, wenn es Euch nichts ausmacht, Herr. Keiner aus dem Gesinde kann schreiben, außer mein Weib. Sie ist stumm. Deshalb hat sie sich vor vielen Jahren diese Fertigkeit angeeignet.«
    »Gut. Dann sage deinem Weib, sie möge niederschreiben, was du zu berichten hast. Ich nehme es dann zur Kenntnis.«
    Wieso ich all dies nun, nachdem ich endlich mein Quartier bezogen habe, überhaupt notiere? Es ist nicht meine Art, zu schreiben, zumindest nicht auf diese Weise. Ich schreibe nur, wenn es darum geht, einen Prozess zu führen: Tatsachen und Gründe darlegen, Urteile sprechen, Dokumente anfertigen. Das meiste erledigt ohnehin Bernhard für mich, der Schreiber des Gerichts. Er ist gewissenhaft darin.
    Ich weiß nicht … Ich hatte plötzlich das Verlangen. In dem Gemach, das mir zugewiesen wurde, steht ein Tisch zwischen zwei Feuerstellen, der Platz ist warm und einladend, und als ich von einem ersten Rundgang durch die Burg zurückkam, fand ich dort auf dem Tisch plötzlich Papier, Tinte und Feder vor – sehr gutes Papier und eine herrschaftliche Feder. Irgendjemand muss sie mir dorthin gelegt haben, als ich draußen war. Ich fragte Bernhard, der eine Kammer neben meinem Gemach bezogen hat. Unter seiner immergleichen ausdruckslosen Gerichtsschreibermiene – selbst grausamste Geständnisse bringen ihn nicht dazu, den Mund zu verziehen, mit den Lidern zu zucken oder den Schreibfluss zu unterbrechen –, unter dieser Miene also meinte ich seine Empörung zu erkennen, dass ich annehmen könnte, er würde mir zumuten, ihm seine Arbeit

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