Die Suendenburg
hat. Bevor der Vikar und ich auseinandergingen, tauschten wir einen besonderen Blick: Ich weiß etwas, von dem du nicht willst, dass jeder es weiß. So werden im Vorhof der Hölle Geschäfte gemacht.
Elicia
Bilhildis kam zu mir, ungewöhnlich unsicher im Auftreten, mit ringenden Händen, von einem Fuß auf den anderen tretend, so als wolle sie ein Geständnis ablegen. Ich fand das eine wunderliche Vorstellung und fragte mich belustigt: Welches Verbrechen könnte Bilhildis wohl schon zu gestehen haben? Hat sie meinen Kamm verloren? Das war natürlich übertrieben. Seit sie mir diesen Norbert geschickt hatte, wusste ich, dass auch Bilhildis zugänglich für Sünden war. Aber das zählte nicht wirklich, da sie die eigentliche Sünde nicht selbst begehen wollte, sondern für mich bewerkstelligt hatte. Was zu meiner Belustigung noch beitrug, war, dass ich mich an jenem Nachmittag besonders beschwingt fühlte. Ich spürte mein Kind wachsen, Malvin hatte mich eine Stunde zuvor geküsst, und eine Spur, die mit den Briefen zusammenhing, führte zu Aistulf. Alles das machte mir gute Laune. Das Wetter tat ein Übriges. Einen Tag vor Weihnachten stand an einem nur leicht verschleierten Himmel eine weiße Sonne, die es schaffte, alle offenen Fragen und ungeklärten Angelegenheiten für eine kleine Weile aus meinem Leben zu verbannen. Erwärmt von einem Kräutersud, schlenderte ich durch die kahlen Weinberge, wobei der Boden unter meinen Schuhen knirschte.
»Warum bist du mir nachgelaufen, Bilhildis? Offen gesagt, siehst du aus, als solltest du lieber einen Beichtvater aufsuchen, nicht mich.«
Sie übergab mir einen Zettel, auf dem stand: Ich habe zufällig mit angehört, wie Aistulf zu jemandem sagte, dass Elicia nun unbedingt unschädlich gemacht werden müsse.
Da war es vorbei mit meiner guten Laune. Ich glaubte Bilhildis jedes Wort. Sie hatte mir schon, das werdende Kind meiner Mutter betreffend, die Wahrheit gesagt, und außerdem deckte sich das, was sie gehört hatte, mit meiner eigenen Erfahrung. Der erste Mordanschlag einige Wochen zuvor war missglückt. Ich war aufgewacht und hatte den Mörder vertrieben. Nun sollte nachgeholt werden, was misslungen war.
»Wenn ich dich nicht hätte, Bilhildis. Ich weiß, es fällt dir nicht leicht, wo du doch meiner Mutter eine treue Dienerin bist. Ich danke dir. Nun wissen wir es: Aistulf ist ein Ungeheuer, ein Wolf im Schafspelz. Auch Mutter wird das erkennen, wenn wir sie mit den Tatsachen konfrontieren. Jetzt ist nur noch die Frage, ob Aistulf mit dem von ihm gedungenen Mörder gesprochen hat oder mit jemandem, den er in die Tat, die er selbst begehen will, einweihte. Doch es ist nicht an uns, das zu klären. Ich werde auf der Stelle zu Malvin gehen – zum Vikar, wollte ich sagen.«
Doch Bilhildis hielt mich zurück. Sie bedeutete mir, dass ihre Aussage keinen Wert habe, weil Leibeigene vor Gericht nicht als Zeugen zugelassen werden. Was Bilhildis gehört hatte, müsste von jedem Vikar so behandelt werden, als wäre es nie gesagt worden, es sei denn, dass noch andere Beweise vorlägen. Es gefiel mir nicht, etwas vor Malvin zu verheimlichen, doch ich würde ihn nur in eine missliche Lage bringen, wenn ich ihm von Bilhildis ’ Aussage erzählte. Mir ging durch den Kopf, zu behaupten, ich selbst habe Aistulf dabei belauscht, so wie ich einige Monate zuvor behauptet hatte, nicht Bilhildis, sondern ich wäre hinter das Geheimnis der von meiner Mutter verborgenen Mutterwerdung gekommen. Aber auf dem Rückweg in die Burg verwarf ich diesen Gedanken. Ich war es leid, mich auf Winkelzüge zu beschränken, während meine Feinde die Dolche wetzten.
Daher wandte ich mich schweren Herzens nicht an Malvin, sondern an Baldur. Wir besprachen uns in unserem Gemach, wo Baldur wie ein gefangener Bär auf und ab lief.
»Damit ist er zu weit gegangen. Wir haben viel hingenommen, aber das ist ein Fehdehandschuh, schlimmer, ein hinterrücks geworfener Fehdehandschuh. Dieser Mann ist nicht nur ein Usurpator, ein mieser Dieb und Tyrann, er ist auch ein Feigling.«
»Und ein Mörder, vergiss das nicht. Er hat meinen Vater getötet.«
»Und nun sollst du schlafend hingeschlachtet werden. Sein Beweggrund ist klar: Er will seinen Anspruch festigen. Ohne dich habe ich keine Aussicht, Graf zu werden. Anstatt dass er es uns auskämpfen lässt wie Männer, draußen auf dem Sandplatz, mit Schwertern, mordet er wie ein Weib … Widerlich.«
»Wir müssen ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen.«
»Was
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