Die Sündenheilerin (German Edition)
Wangen. Er wartete auf ihre Frage, doch sie maß ihn nur mit einem seltsamen Blick, weich und hart zugleich, dem er am liebsten ausgewichen wäre. Versuchte sie, in seinem Gesicht zu lesen? Besaß sie wirklich besondere Fähigkeiten? Nun gut, wenn es so war, dann wollte er ihr standhalten, sie sollte erkennen, dass er nur ihr Wohl im Sinn hatte.
»Warum kommt Ihr zu so später Stunde, um es mir zu sagen?«
»Weil …« Er schluckte. Verdammt, wie sollte er es ihr erklären, ohne unglaubwürdig zu erscheinen? Er hätte auf Said hören sollen. Wenigstens schaute sie ihn nicht mehr so an, als fürchte sie, er werde gleich über sie herfallen. Allerdings verriet ihr strenger Blick, dass sie ihm keine viel ehrbareren Motive unterstellte.
»Weil ich erst heute Abend alle Zusammenhänge erfuhr. Und ich hätte keine Ruhe gefunden, ohne Euch gewarnt zu haben.«
Sie musterte ihn immer noch mit diesem seltsam strengen Blick. Ohne ihr auszuweichen, fuhr er fort. »Auf dem Weg nach Birkenfeld verriet mir ein sterbender Räuber, dass Barbarossas Bande nicht auf eigene Faust handelt. Es gibt einen Auftraggeber. Er steckt sowohl hinter den Überfällen auf die Eisenerzfuhren als auch auf Euren Hochzeitszug.«
»Und heute habt Ihr den Namen dieses Mannes erfahren?« Ihre Stimme klang erstaunlich ruhig.
»Nein. Heute habe ich erfahren, dass der Mann, dessen Namen mir der Räuber nannte, tatsächlich allen Grund hatte, die Taten zu begehen.«
Ihre Miene war noch immer unbewegt. Wie die eines Ritters, der sich während der Verhandlungen mit dem Gegner nichts anmerken lässt.
»Wer?«
Er atmete tief durch, bekämpfte erfolgreich den Drang, ihrem durchdringenden Blick auszuweichen.
»Denkt nach, Frau Helena. Wer hätte einen Vorteil von den Überfällen auf die Eisenerzfuhren?«
»Sagt Ihr es mir.« War das wirklich Trotz in ihrer Stimme? Hatte sie sofort die richtigen Schlüsse gezogen, wollte es aber nicht glauben? Oder deutete er zu viel in ihre Worte hinein?
»Graf Dietmar gilt seine Vasallenpflichten gegenüber Fürst Leopold mit Eisenerzlieferungen ab«, erklärte er. »Die Fuhren wurden immer erst überfallen, nachdem sie den Halberstädtern übergeben worden waren. Die Räuber haben kaum die Möglichkeit, das Erz zu verhütten. Wenn sie aber in Dietmars Auftrag handeln, kann er sie für die Überfälle entlohnen und das Erz ein zweites Mal verkaufen. Beide Seiten machen ein Geschäft, und dass der Graf dem Wohlleben nicht abgeneigt ist, wird jedem hier deutlich.« Philip wies auf die teuren Wachskerzen in den Wandhalterungen.
»Ihr erhebt schwere Anschuldigungen gegen den Grafen.« Jetzt war sie es, die die Lider senkte.
»Ja, und ich bin noch nicht fertig damit. Herr Dietmar steckte auch hinter dem Überfall auf Euren Hochzeitszug.«
»Das glaube ich Euch nicht!« Ihre Hände krallten sich so heftig in den Stoff ihres Umhangs, dass er verrutschte und ihm einen kurzen Blick auf ihr helles Nachtgewand gewährte. Endlich brach ihre überlegene Fassade. Sofort fühlte er sich besser, war nicht länger der Delinquent, der seiner Richterin Rede und Antwort zu stehen hatte.
»Ihr kennt den Grund, Frau Helena.«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Nun, wie viel Ehre ist von einem Mann zu erwarten, der seiner eigenen Gattin den Halbbruder ins Bett schickt, damit er ihr einen Sohn zeuge?«
»Was … was sagt Ihr da?« Sie taumelte einen Schritt zurück. Hätte er sich behutsamer ausdrücken sollen? Hoffentlich fiel sie nicht in Ohnmacht. Sollte er ihr seine Hand reichen? Nein, lieber nicht, sie hätte das nur falsch verstanden. Doch da hatte sie sich schon wieder gefasst.
»Aus welcher Quelle schöpft Ihr Euer Wissen, Herr Philip?«
Musste sie seinen Namen schon wieder so betonen, als wäre er ein Schwerverbrecher?
»Das tut nichts zur Sache. Wichtig ist das, was ich weiß. Euer Gatte ist der Vater von Elises Kind, und zum Lohn dafür hatte Graf Dietmar ihm eine Beteiligung an den Eisenerzvorkommen versprochen. Doch es war sicherer und billiger, ihn am Tag seiner Hochzeit hinmetzeln zu lassen. Nur Ihr seid davongekommen. Ihr kennt das Geheimnis. Glaubt Ihr wirklich, Ihr seid noch sicher auf Burg Birkenfeld?«
»Ihr behauptet, Graf Dietmar sei ein Dieb und Mörder, der über Räuberbanden herrscht und mir nach dem Leben trachtet? Ist das wieder eines Eurer Märchen, Herr Philip?«
»Könntet Ihr bitte damit aufhören, meinen Namen so auszusprechen, als wäre er eine Krankheit?«, entfuhr es ihm.
»Nun, was Ihr mir
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