Die Sündenheilerin (German Edition)
Arabers wirkte gequält. Stumm verfluchte Philip seine eigene Schwäche. Genügte es nicht, wenn er selbst litt? Warum musste er den Freund belasten?
»Geh wieder zu Bett, Said. Du hast noch Zeit bis zum Morgengebet.«
»Und du?«
»Ich treffe einige Vorbereitungen. Ich will Thea dazu bringen, mich ihrem Vater vorzustellen, und ich will nicht mit leeren Händen erscheinen.« Er griff nach seiner Satteltasche, in der er Schwefel und Salpeter verstaut hatte. War es wirklich erst am Tag zuvor gewesen, dass er in Alvelingeroth beinahe von der aufgebrachten Menge zerrissen worden wäre?
Während Said sich wieder zur Ruhe begab, holte Philip einen kleinen Steinmörser und einen zinnernen Messbecher aus seinem Reisegut und schob den Tisch vors Fenster, damit die ersten Sonnenstrahlen ihm genügend Licht spendeten.
Auf sieben Teile Salpeter kamen zwei Teile Schwefel und ein Teil Holzkohle. Er erinnerte sich an die Tage mit Kadir, als der Alte ihm erstmals die Macht des schwarzen Pulvers gezeigt hatte. Nichts beeindruckte die Menschen mehr als ein lauter Krach, der Geruch nach Feuer und Schwefel sowie die Macht, Dinge durch den Raum fliegen zu lassen. Seinen letzten Vorrat hatte er jenseits der Alpen verbraucht, als eine dahergelaufene Bande von Wegelagerern ihnen die Pferde hatte stehlen wollen. Im ehrlichen Kampf wären Said und er hoffnungslos unterlegen gewesen, aber als er den kleinen Beutel ins Lagerfeuer geworfen hatte, waren sie davongestürzt, als wäre der Leibhaftige erschienen, um sie in die Hölle zu holen. Was hatten Said und er gelacht! Warum sollte er Barbarossa nicht auch vormachen, er sei mit dem Teufel im Bunde? Möglicherweise würde der Räuber ihm dann nicht nur seine bisherigen Vermutungen bestätigen, sondern weitere Geheimnisse anvertrauen.
Vielleicht auch die notwendigen Beweise liefern, damit Frau Helena ihm endlich glaubte.
Und dann? Wenn du alles weißt?, fragte er sich. Was willst du dann tun? Graf Dietmar bei Fürst Leopold anzeigen? Gar den Regensteinern deines Vaters Erbe überlassen? Nach allem, was sie deiner Familie angetan haben?
Fragen, auf die er keine Antwort fand.
11. Kapitel
D ie Nacht war viel zu rasch vorüber. Lena hatte kaum Ruhe gefunden. Immer wieder dachte sie über Philips Worte nach. Alles in ihr wehrte sich, die ungeheuerliche Beschuldigung zu glauben, doch sie konnte nicht umhin, die Logik seiner Folgerungen anzuerkennen.
Wenn er ihr überhaupt die Wahrheit gesagt hatte. Aber was wäre, wenn des Grafen Vermutung stimmte? Wenn Philips Vater ein Regensteiner war? Wäre es nicht die niederträchtigste Art, Dietmars Schwäche auszunutzen, um ihm seinen Besitz zu nehmen? Ihn aufs Übelste zu verleumden und sie selbst zur Anklägerin zu machen? Was sollte sie der Mutter Oberin erzählen, wenn sie Hals über Kopf Burg Birkenfeld verließ? Dass sie den Räubergeschichten eines Fremden mehr Vertrauen schenkte als dem Grafen von Birkenfeld?
Womöglich steckten gar die Regensteiner hinter den Überfällen auf die Eisenerzlieferungen. Lena atmete tief durch. Sollte sie mit Ludovika sprechen? Sie war eine Regensteinerin. Noch dazu eine, die sich nicht gescheut hatte, mit ihrem Vater zu brechen, um ins Kloster zu gehen. Natürlich durfte sie ihr nichts von ihrem Gespräch mit Philip erzählen, aber es würde gewiss nicht schaden, sie zu ihrem Vater zu befragen.
Lenas Gedanken kehrten zurück zu Philip. Die Sorge in seinen Augen war echt gewesen, dessen war sie sich sicher. Aber warum verschwieg er so hartnäckig seine Herkunft? Ein Regensteiner hätte allen Grund dazu gehabt. Welche Möglichkeiten gab es noch? Hatte Dietmars Bruder vielleicht doch überlebt? Konnte Philip gar sein Sohn sein? Der Graf hatte sich heftig gegen diese Vermutung gewehrt. Und es klang auch nicht sehr wahrscheinlich. Warum sollte der älteste Sohn des alten Grafen die Familie in dem Glauben lassen, er sei tot?
Es sei denn, er hätte Schande auf sein Haupt geladen. Eine Sünde, die so schwer wog, dass er lieber für alle, die ihn kannten, tot sein wollte. Ihr Vater hatte sie gelehrt, dass die Ehre alles sei, ein Leben ohne Ehre sei für einen Ritter nicht erträglich, der Tod sei besser.
Je länger Lena sich ihren Betrachtungen hingab, umso denkbarer erschien ihr diese Möglichkeit. Sie hätte auch erklärt, warum Philip so beharrlich schwieg. Aber nicht, warum er nach Birkenfeld gekommen war. Sie seufzte. Der Mann blieb ihr ein Mysterium. Konnte seine Erzählung wahr sein?
Und Graf
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