Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
drehten, und er ging 1000-prozentig sicher, dass ich wusste, wo sich der An-/Aus-Knopf befand.
»Okay, ich denke, das war alles. Er ist vollgetankt und startklar. Komm mich holen, wenn du fertig bist. Und sei vorsichtig.«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu sagen und zu protestieren, aber Dad drehte sich um und ging, bevor ich meine Stimme wiederfand. Ich stand da und beobachtete durch meine Schutzbrille, wie Dad hinter einer hohen Fichte verschwand.
Kurz darauf hörte ich, wie der Rasenmäher ansprang. Dad musste dreimal an der Schnur ziehen, um den Victa zum Laufen zu bringen. Jedes Mal stotterte der Motor und verstummte dann mit einem Röcheln wieder, aber schließlich erwachte er knatternd zum Leben und mein Herz wurde noch ein wenig schwerer.
Ich fühlte mich verlassen, hintergangen. Wie konnte er mir das antun?
Ich wollte auch dort drüben sein und den Rasen mähen. Dort, wo es weit und sonnig war. Nicht hier hinten in dieser Gasse aus Gräsern, die mir viel dunkler erschien und in der es bestimmt auch viel kälter war.
Aber ich hatte eine Aufgabe zu erledigen. Ich musste mich reif verhalten und die Aufgabe so gut erledigen, wie ich konnte.
Ich drehte mich zu dem unheimlichen Ort meiner Kindheit um.
Diese Ecke des Gartens war schon immer dicht mit Gräsern bewachsen gewesen, ein wahrer Urwald in meinen jungen Augen. Damals hatte er mir Angst eingejagt und als ich nun dort stand und auf den Korridor aus Unkraut blickte, wurde mir bewusst, dass ein Teil meiner Kindheitsängste noch immer existierte.
Vor drei Jahren hatte ich mich zum ersten und einzigen Mal in diese abschreckende Wildnis gewagt. Ich war bereits ein gutes Drittel ins Innere vorgedrungen, als ich gespürt hatte, wie etwas Schleimiges mein Bein streifte. Kurz darauf hatte ich ein Knurren gehört. Wie von der Tarantel gestochen war ich aus der schmalen Nische gerannt und hatte erst wieder angehalten, als ich in meinem Zimmer gewesen war und mich in meinem Bett unter der Bettdecke hatte zusammenkauern können.
Aber jetzt war ich älter und mit einer hervorragenden Waffe ausgerüstet. Deshalb gab es nichts, wovor ich mich hätte fürchten müssen. Alles, was ich dort drinnen finden würde, war ein längst vergessener Tennisball, vielleicht ein totes Opossum oder ein toter Vogel. Nichts Schleimiges. Und bestimmt nichts, das mich anknurrte …
Ich ging in die Hocke, legte den Rasenschneider auf den Boden, drückte – genau, wie Dad es mir gezeigt hatte – den Knopf der Einspritzpumpe zehnmal, griff dann nach der Schnur und zog daran. Der Motor sprang beim zweiten Versuch an. Die Klingen begannen sich zu drehen und wie eine wütende Katze zu brummen. Ich erhob mich und leckte mir über die Lippen. Während ich mich in den Wald aus Gräsern vorkämpfte, drückte ich für mehr Power auf die Drossel.
In der schmalen Nische war nicht viel Platz. Der hohe Holzzaun zu meiner Linken und die Metallwand der Garage zu meiner Rechten schränkten meinen Bewegungsspielraum ziemlich ein.
Ich schnitt das Gras, so gut ich konnte, und während der Motor seine Abgase ausspuckte und mir der beißende Benzingeruch die Nase verstopfte, dachte ich an all die streunenden Katzen, die ich in der Vergangenheit in dieser Wildnis aus Gras hatte verschwinden sehen. Ich hatte mir immer vorgestellt, sie seien von den Trollen und Drachen verschlungen worden und ich habe sie deshalb nie wieder gesehen. Manchmal, wenn meine Fantasie besonders mit mir durchging – oder wenn ich besonders große Angst hatte? –, fragte ich mich, ob es sich bei den Katzen nicht in Wahrheit um verkleidete Trolle handelte, die sich auf magische Weise in scheinbar harmlose Tiere verwandelten, um mich in ihr Versteck zu locken.
Aber das war nur alberner Kinderkram. Dort drinnen gab es nichts außer Gräsern und Erde. Nur ein Kind fürchtete sich vor erfundenen Monstern – und ich war kein Kind mehr!
Aber wie sah es mit richtigen Monstern aus, fragte ich mich?
Spinnen und andere Kriechtiere hatten mir noch nie etwas ausgemacht, aber jetzt, da ich tiefer in die Wand aus Gräsern eintauchte, musste ich trotzdem an Rotrückenspinnen, Wespennester und sogar Schlangen denken, die sich vielleicht im hohen Gras versteckten.
Ich schluckte nervös, war froh, dass ich lange Hosen und keine Shorts trug, und war dankbar für den Rasenschneider, den ich fest mit meinen verschwitzten, behandschuhten Händen umklammert hielt.
Ich konzentrierte mich wieder auf das Abmähen der Gräser und versorgte den
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