Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
er macht sich nur einen Spaß mit mir. Aber dann hat er mir die Morde bis ins kleinste Detail geschildert und gesagt, er hätte sie begangen, um all diese Frauen auszulöschen, bei denen er sich die Syphilis geholt habe.
Er meinte, seine tote Mutter hätte ihm am Sterbebett gesagt, dass er sie alle vernichten soll. Er behauptete, dass er fünf Huren umgebracht hat, fünf kranke Huren, die für ihre Sünden bestraft werden mussten, und dass er aufhörte, als er diejenige erledigt hatte, von der die Krankheit stammte. Ich hätte ihm nicht geglaubt, wenn da nicht dieser Ausdruck in seinen Augen gewesen wäre, als er mir das alles erzählte. Da war so eine Art wahnsinniger Aufrichtigkeit, die mich davon überzeugte, dass er wirklich die Wahrheit sagt. Und ich bin mir jetzt noch genauso sicher wie damals – ich habe mir die Zelle mit dem Ripper persönlich geteilt!«
Ich überlasse es Ihnen, verehrte Leser, zu entscheiden, ob Fred Deeming seinem Zellengenossen die Wahrheit gesagt oder ob dieser Mitgefangene selbst gelogen hat. Falls die Geschichte den Tatsachen entspricht, dann ist nun endlich auch die Wahrheit über den Whitechapel-Mörder ans Licht gekommen. Alles, was Sie sich dann noch fragen müssen, ist, ob der Geist von Jack the Ripper tatsächlich das Haus in Windsor heimsucht und seine Verbrechen nun in Melbourne wiederholt.
Nun, da sich der 30. September mit großen Schritten nähert, halten wir alle den Atem an und warten darauf zu erfahren, ob zwei weitere Unglückliche in den Elendsvierteln von Melbourne ihr grausames Ende finden. Die Polizeipräsenz wurde verstärkt, aber wird sich der Verrückte von Melbourne davon wirklich aufhalten lassen? Wenn es sich um einen sterblichen Mörder handelt, dann vielleicht. Andererseits wurde Jack auch in Whitechapel nie geschnappt. Aber falls wirklich ein Geist am Werk ist, lässt sich wohl mit Sicherheit vorhersagen, dass er noch vor Jahresende drei weitere Frauen auf brutale Weise abschlachten wird – und dass es nicht das Geringste gibt, was jemand tun könnte, um ihn aufzuhalten. Doch was auch immer geschehen wird, wir hier bei The Argus werden Sie auf dem Laufenden halten und Ihnen stets das Allerneueste über dieses verblüffendste, grauenhafteste aller Verbrechen berichten.
Manfred Cohen
NOTIZEN ZUR ENTSTEHUNG:
Als ich gebeten wurde, einen Beitrag zum Sammelband The Evileye Annual Compendium of Dastardly Plots & Sublime Debauchery von Evileye Books beizusteuern, der zum Zeitpunkt der Arbeit an diesem Buch noch nicht erschienen ist, wollte ich unbedingt eine Geschichte schreiben, die auf einem echten Verbrechen oder einem rätselhaften Fall basiert, weil das gut zu meiner bereits bei Evileye erschienenen Reihe The Garbage Man passen würde. Ich spielte verschiedene Ideen durch und fing sogar an, Recherchen über Harold Holts Verschwinden 1967 anzustellen, aber irgendwie machte es nicht richtig klick! Worüber ich wirklich schreiben wollte, war Jack the Ripper, da mich der Ripper-Fall, wie ich Ihnen ja schon erzählt habe, extrem fasziniert.
Aber die Ripper-Morde hatten sich in England ereignet, ich wollte meine Geschichte hingegen unbedingt in Australien ansiedeln – auch das passte so gut zu The Garbage Man. Ich rief mir in Erinnerung, dass es eine australische Querverbindung zum Ripper gibt – Frederick Deeming, ein immer wieder in Verdacht geratener Zeitgenosse, der einige Jahre nach den Ripper-Morden nach Australien auswanderte, wo er seine zweite Frau auf brutale Weise ermordete und später im Gefängnis von Melbourne für dieses Verbrechen erhängt wurde. Das war perfekt – so konnte ich nicht nur eine Geschichte über den Ripper schreiben, ich konnte sie auch in Australien ansiedeln.
Ich habe sowohl Deemings Leben umfassend recherchiert (und sogar das Haus in Windsor besucht, in dem er seine Frau Emily ermordet hat) als auch das allgemeine Leben in Melbourne im 19. Jahrhundert. Außerdem habe ich Zeitungen aus dem späten 19. Jahrhundert studiert, um einen authentischen Zeitungsartikel zu schreiben, wie er tatsächlich in einer Ausgabe von The Argus im Jahre 1892 hätte erscheinen können. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, aber selbst wenn ich dieses Ziel nicht ganz erreicht haben sollte, hatte ich trotzdem eine Menge Spaß, für diese besondere Geschichte zu recherchieren und sie zu schreiben.
Noch einmal zur Erinnerung: Wer sich ebenfalls für den Ripper-Fall interessiert, sollte unbedingt meiner Jack-the-Ripper-Seite, Saucy Jack, einen
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