Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
der Suche nach schnellem Geld hier herumschnüffelte.
Als ob jemand diese beschissene Rostlaube würde klauen wollen, dachte George. Im nächsten Moment hörte er hinter sich ein metallisches Klappern, das seine Eier auf die Hälfte ihrer normalen Größe schrumpfen ließ.
George wirbelte herum und konnte gerade noch sehen, wie sich Bobby durch den schmalen Spalt zwischen den beiden Flügeln des Tores hindurchquetschte.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, dass du draußen warten sollst, bis ich dir sage, dass die Luft rein ist«, schimpfte George, auch wenn er eher erschrocken als wütend war.
»Mojo hat sich einsam gefühlt«, sagte Bobby, als er es durch das Tor geschafft hatte. Auf seinem jungen Gesicht lag ein schiefes Grinsen und seine Rehaugen schienen George geradewegs zu durchbohren.
»Verfluchter Mojo«, murmelte George. »Na ja, Edmund scheint nicht da zu sein, also lass uns die Sache hinter uns bringen, damit wir wieder nach Hause gehen können.«
»Hier stinkt’s«, stellte Bobby fest.
Es lag ein besonders penetranter Fäulnisgeruch in der Luft. Abgesehen vom üblichen Müllkippen-Gestank – einer Mischung aus vergammelten Lebensmitteln und verschimmelten, längst vergessenen Möbeln – war da diese widerliche Süße, die direkt unter der Oberfläche zu hängen schien: der Geruch des Todes.
»Versuch einfach, nicht zu tief einzuatmen«, erwiderte George.
Nein, Moment, wir sind schließlich hier, um dafür zu sorgen, dass sich der Junge nicht in einen Psychopathen verwandelt. Das ist wie beim Rauchen, richtig? Gib ihnen zehn Schachteln zu rauchen, eine nach der anderen, und sie werden hinterher nie wieder ’ne Kippe wollen. So soll das doch funktionieren, oder? Also sollte ich ihn wohl eher ermuntern, tief einzuatmen, bis ihm von dem Gestank ganz übel wird.
»Der Geruch macht mir nichts aus«, sagte Bobby beiläufig.
Vor Georges innerem Auge entstand ein imaginäres Bild von Bobby, der im Schneidersitz im Hinterhof saß, das blutige Messer in der einen Hand, die ausgeweidete Katze in der anderen.
»Na, der sollte dir aber was ausmachen«, sagte George. »Das ist ein ganz grauenhafter Geruch. Davon sollte dir kotzübel werden.«
Bobby zuckte mit den Schultern. »Warum sind wir hier? Wollen wir Mojo hier begraben?«
George seufzte. »Das wirst du noch früh genug erfahren. Komm jetzt.« Er setzte sich in Bewegung. Bobby folgte ihm und schleifte die ausgebeulte, immer nasser werdende Tüte dabei so achtlos über den Boden, als handele es sich um einen Sack voller Steine.
George ließ seinen Blick über die Müllhaufen schweifen, ohne genau zu wissen, was er eigentlich suchte. Alles, was er sehen konnte, waren Berge voller Müll, hoch aufgehäuft aus einer bunten Ansammlung alter Stühle, Toaster, Lampen, vereinzelter abgenutzter Sofas, zertrümmerter Fernseher und natürlich Hunderter und Aberhunderter von Mülltüten.
Sind sie das?, fragte sich George. Er bezweifelte es. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Edmund das Risiko eingehen würde, sie so offen hier herumliegen zu lassen, wo jeder sie sehen konnte.
Hinter ihm fragte Bobby: »Hörst du das?«
George blieb stehen und horchte. Alles, was er hören konnte, war das dumpfe Pochen seines Herzens. Er drehte sich zu seinem Sohn um. »Was meinst du denn?«
»Da weint jemand. Klingt, als ob es von da drüben kommt.« Bobby hob seinen Arm und zeigte in die Richtung.
Georges Blick folgte dem ausgestreckten Finger seines Sohnes, der direkt auf Edmunds Wohnwagen am anderen Ende des Geländes deutete.
George horchte erneut.
Nun glaubte er tatsächlich, etwas hören zu können: ein leises Wimmern. Es klang wie das Weinen einer Frau. Aber Edmund lebte allein und er hatte keine Familie.
Ist sicher nur das Heulen des Windes … es weht aber gar kein Scheißwind. Oder …
»Der Fernseher«, beendete George seinen Gedanken laut. »Wahrscheinlich sieht der alte Edmund nur fern.«
»Klingt aber nicht so«, murmelte Bobby. »Können wir nicht rübergehen und nachsehen?«
George drehte sich wieder zu seinem Sohn um. Mit seinem schiefen Grinsen und seinen weit aufgerissenen Augen sah er in diesem Moment aus wie am Weihnachtsmorgen, wenn er zum ersten Mal die Geschenke zu Gesicht bekam, die unter dem Baum lagen.
»Nein. Wir sollten überhaupt nicht hier sein. Wir werden bei niemandem zu Hause rumspionieren und riskieren, geschnappt zu werden.«
»Aber …«
»Kein Aber. Du gehst nicht mal in die Nähe dieses Hauses, verstanden? Du bleibst
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