Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
erschossen – oder Schlimmeres stand.
George schluckte.
Es war eine beinahe perfekte Sommernacht – angenehm warm, kein Wind –, aber ein Blick auf das Schild genügte und kalte Angst breitete sich in seinem gesamten Körper aus.
George kannte den Besitzer der Deponie, Edmund Mullroy. Schließlich sah er ihn fast jeden Tag im Schlachthaus, das etwa zwanzig Fußminuten entfernt der direkteste Nachbar der Müllkippe war. Und außerdem der Ort, an dem er und sein Bruder Tony arbeiteten. Er war ein ruhiger Typ, der fast nie lächelte und ständig auf einer Zigarre herumkaute, aber eigentlich recht freundlich wirkte. George bezweifelte, dass Edmund wirklich ein Mann war, der Eindringlinge einfach erschoss, sofern er keinen triftigen Grund dafür hatte. Das Schild am Zaun diente ganz sicher nur der Abschreckung, um Randalierer fernzuhalten, aber das bedeutete keineswegs, dass George deswegen weniger Bedenken gehabt hätte, die Deponie unangemeldet zu betreten.
Die Müllkippe lag in einem dicht bewaldeten Gebiet am Rand der Stadt, ganz am Ende einer unbefestigten Straße, und war nicht für die öffentliche Nutzung bestimmt. Edmund sammelte gerne einmal pro Woche den Müll der Stadtbewohner ein, aber falls man kurzfristig irgendwelchen Unrat loswerden wollte, musste man erst sein Einverständnis einholen. Es bestand natürlich immer die Option, die halbstündige Fahrt hinaus zur städtischen Mülldeponie zu unternehmen, aber die meisten Leute in der Stadt waren absolut einverstanden mit der Art und Weise, wie Edmund die Müllkippe führte.
Sie wären sicher nicht mehr so ohne Weiteres damit einverstanden, wenn sie von Edmunds anderem, geheimen Geschäftszweig wüssten, dachte George.
George wusste davon, und um die Wahrheit zu sagen, wusste er nicht, was ihm mehr Angst einjagte: das Schild am Zaun, das androhte, unbefugte Eindringlinge zu erschießen – oder Schlimmeres! – oder zu wissen, was Edmund zwischen all den Müllhaufen tatsächlich versteckte.
Kalte Schweißperlen tropften über Georges Gesicht. Er wollte nicht hier sein. Er wünschte sich, er wäre zu Hause, ganz entspannt vor seinem Fernseher, und könnte einen Joint rauchen. Aber er war wegen Bobby hergekommen, das durfte er nicht vergessen.
Wenigstens musste er sich keine Sorgen wegen eines bösartigen Wachhunds machen. Nachdem Edmunds letzter Hund, Funky, vor fünf Jahren gestorben war, hatte er sich nie die Mühe gemacht, die stinkende alte Promenadenmischung zu ersetzen. Edmund hatte George bei einer ihrer seltenen Unterhaltungen irgendwann einmal erklärt, dass es nahezu unmöglich sei, Funky zu ersetzen. Dass er auch gar nicht die Absicht habe, weil er einen neuen Welpen viel zu lange abrichten müsste und ihn das Zeit und Energie kosten würde, die er gar nicht mehr hatte.
George fand damals, dass das wirklich ein Jammer sei. Aber nun, wo er kurz davor stand, sich nach Einbruch der Dunkelheit auf die Müllkippe zu schleichen, hätte er kaum erleichterter sein können, dass auf der anderen Seite des Tores kein Hund darauf wartete, ihm die Kehle zu zerfetzen.
Das Tor war mit einer massiv aussehenden Kette verschlossen. Es gelang George jedoch, die beiden Flügel zumindest so weit auseinanderzudrücken, dass er durch die Lücke schlüpfen konnte, wobei er eine Seite mit seiner Hand festhielt, damit sie nicht wieder zuknallte und ihn zerquetschte.
Als George es auf die Mülldeponie geschafft hatte, richtete er sich auf. Er atmete langsam aus und sah sich auf der Anlage nach irgendeinem Anzeichen von Edmund um.
Die Deponie ähnelte allen, auf denen er bisher gewesen war: Müllberge, die wie riesige, zerzauste Ameisenhügel aussahen, wurden von Flutlichtscheinwerfern angestrahlt, die über dem Zaun angebracht waren. Am einen Ende des Geländes stand ein langer, möglicherweise einst weißer Containerwohnwagen auf abgesägten Baumstümpfen. Er verfügte über eine Treppe und eine Rampe, die zur Vordertür führten. Seine Fassade war schmutzig, hässlich und ziemlich verbraucht – genau wie sein Besitzer. Im Inneren des Wohnwagens brannte Licht, aber Edmunds Lieferwagen war nirgends zu sehen.
Mit ein bisschen Glück bedeutete das, er war nicht da und würde nicht zurückkommen, bevor George und Bobby wieder verschwanden. George wusste jedoch, dass der Lieferwagen nicht zu sehen war, stellte keine Garantie für Edmunds Abwesenheit dar. Vielleicht parkte er seinen Wagen ja immer außer Sichtweite – für den Fall, dass irgendwelches Pack auf
Weitere Kostenlose Bücher