Die Sünder - Tales of Sin and Madness (German Edition)
dafür ist, warum er getan hat, was er getan hat? Ja. Nach allem, was ich von der Polizei gehört habe, war Sam Drayton ein Penner. Er hat nicht gearbeitet und staatliche Unterstützung eingesackt, während er leichtgläubige, mittellose Menschen ausgenutzt hat. Ein paar von denen waren praktisch noch Kinder.«
»Er war ein aufstrebender Schauspieler und Komiker, wussten Sie das?«
Bill nickte. Er trank einen weiteren Schluck Kaffee. »Anscheinend wurde er bei jedem Vorsprechen, zu dem er gegangen ist, abgelehnt. Hat jahrelang versucht, als Schauspieler oder Komiker erfolgreich zu werden. Hat’s nie zu was gebracht. Haben Sie mal diesen Film gesehen, King of Comedy? «
Der Mann von der Zeitung nickte.
»Ich glaube, er war einfach stinkwütend auf die Filmbranche. Dachte, die ganze Welt habe sich gegen ihn verschworen.«
Der Reporter blickte auf. »Sie klingen wie ein Psychologe.«
Bill lächelte. »Das ist nur meine persönliche Meinung.«
»Denken Sie, dass er all das getan hat, um sich zu rächen?«
»Na ja, ich glaube schon, dass da noch ein bisschen mehr dahintersteckt als …« Bill hielt inne, als er sah, dass ein Mann an den Tisch getreten war. Er hatte lange Haare und war unglaublich dünn.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte Bill.
Der Reporter drehte sich um.
»Sind Sie Bill Crivelli? Der Bill Crivelli?«
»Ja«, antwortete Bill.
»Wow. Ich kann’s kaum glauben, dass Sie das wirklich sind. Ich hab Sie im Fernsehen gesehen, Mann. Ich finde, Sie sind ein Held!« Der Mann streckte ihm ein kleines Buch und einen Kugelschreiber hin. »Wü... würden Sie das für mich unterschreiben?«
Bill nickte und nahm dem strahlenden Mann das Notizbuch aus der Hand. »Wie heißen Sie denn?«
»Ray«, sagte der Mann stolz.
Bill schrieb:
Für Ray. Wenn Sie an sich glauben, können Sie mit allem fertig werden. Ich habe es auch geschafft.
Alles Gute,
Bill Crivelli.
Nachdem er unterschrieben hatte, trug er noch das Datum nach. Dann reichte er das Notizbuch an Ray zurück.
»Wow«, murmelte Ray, als er die Widmung las. »Vielen Dank, Mr. Crivelli.«
»Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen«, sagte Bill.
Als Ray sich mit schlurfenden Schritten wieder von ihrem Tisch entfernte, lächelte der Mann von der Zeitung Bill an.
»Passiert Ihnen das jetzt öfter?«
»Sicher«, erwiderte Bill. »Ich werde andauernd von Leuten angesprochen, die nicht glauben können, dass ich es wirklich bin. Ich habe in den letzten paar Tagen unzählige Autogramme gegeben. Es ist wirklich seltsam. Ich meine, wer bin ich denn schon? Letzte Woche war ich nur der Aufnahmeleiter der Marty Laffin Show und jetzt werde ich überall erkannt, wo ich hinkomme.«
»Stört Sie das?«
»Es gefällt mir«, sagte Bill. »Ich wollte schon immer berühmt werden. Erst gestern hat man mir eine Gastrolle in einer erfolgreichen Fernsehserie angeboten.« Er grinste. »Aus rechtlichen Gründen darf ich den Namen noch nicht nennen.«
»Das verstehe ich«, sagte der Reporter.
»Ich hab jetzt sogar einen Agenten«, fuhr Bill fort.
»Sie werden noch berühmter als Sam Drayton.«
Bills Lächeln verblasste ein wenig. Er trank seinen Kaffee aus und sah den jungen Reporter mit festem Blick an. »Ich schätze schon.«
Berühmter als Sam Drayton.
Die Worte verfolgten Bill noch während des gesamten Interviews.
NOTIZEN ZUR ENTSTEHUNG:
Das ist die zweite meiner Geschichten, die jemals einen Abnehmer fand, und auch die zweite, die auf Horrorfind.com veröffentlicht wurde. Ich habe sie 2001 geschrieben, als es mit dem Boom der Reality-Formate im Fernsehen gerade richtig losging. In dieser Geschichte habe ich meine Vorliebe für miese Gameshows und Late-Night-Talks mit meiner Faszination für Kulte kombiniert.
Junkies
(Junkies)
Als das Treffen zu Ende war, steuerte ich direkt auf den Tisch mit dem Essen und den Getränken zu. Obwohl ich keinen rechten Appetit auf die bereitliegende Auswahl an Keksen und Donuts hatte, grummelte mein Magen, also griff ich widerwillig nach einem Haferkeks. Während ich abbiss, bildete sich allmählich eine Menschentraube um mich herum. Ein tiefes Murmeln umschwirrte meinen Kopf, als sich die bunt zusammengewürfelte Gruppe von Fremden banalem Small Talk hingab. Die meisten schienen erleichtert über den Kurswechsel zu sein, nachdem sie vorher den anderen Süchtigen eine Stunde lang per Seelenstriptease ihr Innerstes nach außen gekehrt hatten.
Jemand schob sich neben mich und schnappte sich einen Styroporbecher von dem Stapel
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