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Die Sünderin von Siena

Die Sünderin von Siena

Titel: Die Sünderin von Siena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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der mit ihnen gefüllt wird. Sobald er voll ist, laden ihn die Männer sich auf den Kopf, und dann nichts wie ab damit zum Salzkegel, der immer höher und höher wächst. Siehst du, wie schnell sie laufen?«
    Abermals ein fast andächtiges Nicken.
    »Sie werden nach der Anzahl der abgelieferten Körbe bezahlt, und jeder beeilt sich, denn die Ernte dauert nur ein paar Monate und ist vorbei, sobald die Herbststürme einsetzen.«
    Onkel und Großneffe waren vor zwei verschieden großen Haufen stehen geblieben.
    »Der hohe graue Kegel ist das grobe Salz, mit dem man auch das Vieh füttert. Mit dem kannst du keine Reichtümer erzielen«, sagte Bartolo. »Mit dem kleineren weißen Kegel dagegen verhält es sich anders. Koste einmal!«
    Mario benetzte seinen Finger und nahm eine kleine Probe.
    »Es schmeckt fast süßlich«, sagte er. »Aber bei Weitem nicht so rein wie das feine fleur de sel von den spanischen Inseln, das du mich schon probieren hast lassen.« Anstatt Bartolo anzusehen, starrte er nun auf seine staubigen Stiefel. »Meinst du, du wirst deine verlorene Ladung wiederbekommen?«, fragte er leise. »Hoffst du noch immer darauf?«
    »Nach dem Treffen mit unserem Gewährsmann aus Pisa sind wir sicherlich um einiges klüger«, lautete Bar tolos vorsichtige Antwort. »Und jetzt muss ich dringend mit Enzo sprechen, der für mich die Saline verwaltet. Zwanzig Jahre dauert es, bis du einen Salzgarten zum ersten Mal ernten kannst. Wir haben beide viel Geduld aufbringen müssen, ich als Pächter und er als Verwalter, das verbindet.«
    Zu seiner Überraschung wich der Junge nicht von seiner Seite, obwohl Enzos Report weitschweifig ausfiel. Die Salzleute, wie sie sich selber nannten, galten in der Regel als wortkarg, weil sie während ihrer harten Arbeit kaum Gelegenheit zum Reden hatten. Bartolo kam es vor, als bräuchten sie erst einen Fremden, um endlich all das loszuwerden, was sich in ihnen aufgestaut hatte – selbst wenn es der padrone war, vor dem Rechenschaft abzulegen war.

Enzo war der Einzige in der Saline, der halbwegs lesen und schreiben konnte, wenngleich seine krakelig geführte Buchhaltung dem Betrachter einiges an Fantasie und Konzentration abverlangte. Doch er war ein redlicher Mann, der da unter heftigem Blinzeln seine Aufzeichnungen vorlegte. Bartolo hatte sich in langen Jahren davon überzeugt, und Mario, der die Zahlenkolonnen schnell im Kopf überschlagen und für korrekt befunden hatte, konnte sich dieser Meinung nur anschließen.
    Enzos Frau, die schwarzhaarige Silva, die schwanger war wie in jedem Sommer, ließ es sich anschließend nicht nehmen, die Besucher zum Essen zu bitten, und Bartolo schien auf diese freundliche Aufforderung nur gewartet zu haben.
    Eines freilich schien den Jungen zu erstaunen. Allerdings rückte er erst damit heraus, als sie vor der dampfenden Fischsuppe saßen, die so heiß war, dass sie kräftig blasen mussten, bevor sie den Löffel zum Mund führen konnten.
    »Du bist also bloß der Pächter dieser Saline«, sagte er plötzlich. »Dabei dachten wir immer, sie sei dein Eigentum.«
    »Wer dachte das?«, wollte Bartolo wissen, der angesichts dieser unvergleichlichen Verbindung von Knoblauch, Meerbarben und ausgelösten Muscheln am liebsten ins Schwärmen geraten wäre. Er riss kleine Stücke von dem ungesalzenen Brot ab und tunkte es ungeniert wie ein einfacher Bauer in seinen Napf.
    »Vater. Und ich natürlich auch«, setzte Mario schnell hinzu. »Wir beide eben.«
    Bartolos Blick verriet sein Erstaunen. »Ihr habt euch im fernen Augsburg ausgerechnet über meine Saline unterhalten?« Mit halb geschlossenen Augen genoss er einen kräftigen Bissen.
    »Haben wir. Auf Vater muss sie sehr großen Eindruck gemacht haben. Deshalb fand er ja auch die Idee gut, dass ich zu dir nach Italien gehen sollte, um alles über das Salz zu lernen.«
    »Dann bist du eigentlich als eine Art Kundschafter hier? Und ich dachte bislang, du seiest als Friedensbote gekommen. Um den letzten Wunsch deiner seligen Mutter zu erfüllen.«
    Marios Wangen hatten sich schon wieder leicht gerötet. Jedes Wort aus Bartolos Mund zu diesem Thema schien ihm zunehmend peinlich zu sein.
    »Das natürlich auch. Mamma wollte so gern, dass ihre Familie sich wieder versöhnt. Wie oft hat sie davon geredet! Aber das mit dem Salz ist doch auch wichtig, oder?«
    »Wichtig?« Bartolo schob den Napf ein Stück beiseite. »Menschen müssen Salz essen, sonst würden sie sterben. Man sagt, in früheren Zeiten hätten sie

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