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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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dar. Eine junge Frau hatte vor einem guten Dutzend Augenzeugen ihren ehemaligen Liebhaber umgebracht, zu Beginn des Verhörs bestritten, den Mann gekannt zu haben, nach gutem Zureden durch die vernehmenden Beamten schließlich doch die Bekanntschaft und ihre Motivation offen gelegt und zwischenzeitlich einen Suizidversuch unternommen.
    Die Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft waren fast vollständig. Es fehlte nur das Gutachten des psychologischen Sachverständigen. Das konnte auch noch ein wenig dauern. Professor Burthe war beruflich stark eingespannt.Ein unterzeichnetes Geständnis lag ebenfalls noch nicht vor, weil die junge Frau ihre erste Aussage widerrufen hatte und seitdem wieder hartnäckig leugnete, ihr Opfer gekannt zu haben. Was sie sich davon versprach, lag auf der Hand. Und da war Eberhard Brauning nun genau der richtige Mann, sie zu überzeugen, dass eine Haftstrafe dem Maßregelvollzug vorzuziehen wäre.
    Dass Cora Bender sich derzeit in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie befand, war für Eberhard Brauning mit ihrem Suizidversuch hinreichend erklärt. Papiertücher! Auf solch eine Idee musste man erst einmal kommen. Er hielt es für einen äußerst raffinierten Schachzug, verließ sich auf den persönlichen Eindruck des Haftrichters, der sie als kaltschnäuzig bezeichnete. Er verstand jedoch auch, dass der Untersuchungsrichter kein Risiko eingehen wollte.
    Eberhard Brauning bat um Akteneinsicht und bekam fünf Tage nach Georg Frankenbergs Tod Kopien sämtlicher vorhandenen Unterlagen ausgehändigt. Das war der Donnerstag. Am frühen Abend begann er sein Aktenstudium mit den Zeugenaussagen, die kurz nach der Tat gemacht und später noch ergänzt worden waren um Details, die sich nicht unmittelbar auf das Geschehen bezogen.
    Das Verhalten des Opfers erschien ihm ebenso eindeutig wie dem unbedarften Familienvater, der es zu Protokoll gegeben hatte. Dem Personalbogen mit den persönlichen Daten Cora Benders war nachträglich eine Notiz angefügt worden. Eine Schwester, Magdalena Rosch, verstorben vor fünf Jahren an Herz-Nieren-Versagen. Er maß dieser Notiz keine Bedeutung bei.
    Bei den Abschriften der Tonbänder beschlich ihn kurzzeitig ein ungutes Gefühl. Entweder hatte Cora Bender sich zeitweise in einem Zustand befunden, für den Verwirrung ein sehr milder Ausdruck war, oder sie hatte den vernehmenden Beamten eine großartige Show geboten. Er gab der letztenInterpretation den Vorzug und hätte dazu gerne die Ansicht seiner Mutter gehört. Leider war Helene schon zu Bett gegangen, als er die Akten endlich beiseite legte. Es war weit nach Mitternacht. Beim gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen war die Zeit zu knapp für ein ausführliches Gespräch. Er erwähnte nur kurz, dass er einen neuen und höchst interessanten Fall habe. Wieder mal eine, die sich einbildete, die Landesklinik sei ein Sanatorium.
    Gleich nach seinem Eintreffen in der Kanzlei vereinbarte er einen Gesprächstermin mit seiner Mandantin. Er war fest entschlossen, ihr unmissverständlich klarzumachen, dass sie mit einem umfassenden Geständnis auf milde Richter hoffen durfte. Am frühen Freitagnachmittag, pünktlich um fünfzehn Uhr, wurde eine Tür für ihn aufgeschlossen, und er sah sie das erste Mal vor sich.
    Sie stand am Fenster, trug einen schlichten Rock und eine einfach geschnittene Bluse, beides war fleckig und zerknittert. Strümpfe trug sie nicht. Ihre nackten Füße steckten in einem Paar Schuhe mit halbhohen Absätzen. Ihr Haar schien seit mehreren Tagen nicht mehr mit Wasser und Shampoo in Berührung gekommen zu sein. Und ihr Gesicht, als sie sich langsam zur Tür und damit zu ihm umdrehte   …
    Eberhard Brauning hielt unwillkürlich den Atem an und fühlte die ersten Zweifel an seiner Beurteilung der Lage aufsteigen. So viel Stumpfheit! Ihre Augen erinnerten ihn an die Glasknöpfe im Kopf eines alten Plüschbären, den er als kleiner Junge heiß geliebt hatte. Sie waren ziemlich groß gewesen, diese Knöpfe. Und wenn er sie ins Licht gehalten hatte, hatte er sich darin spiegeln können. Nur sich, sein Zimmer, die Umgebung eben. Von seinem Innenleben aus Stroh hatte der alte Teddy niemals etwas preisgegeben.
    Vor Unbehagen zog er die Schultern zusammen. Der Aktenkoffer in seiner Hand schien sein Gewicht verdoppelt zu haben. Langsam ließ er den angehaltenen Atem entweichen,schluckte einmal trocken und sagte mit bemüht ruhiger und sehr betonter Stimme: «Guten Tag, Frau Bender. Ich bin Ihr Anwalt,

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