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Die Sünderin

Die Sünderin

Titel: Die Sünderin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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die Erde zu den Würmern. Sorg dafür, dass ich ein hübsches, sauberes Feuer bekomme. Wenn es gar nicht anders geht, schlepp mich irgendwo in die Wildnis, kipp mir einen Kanister Benzin über und stell dir vor, du stehst mit dem Blecheimer im Wohnzimmer. Ich will die Hölle haben, bevor ich im Himmel mit Mutter um die Wette singen muss. Mir graut jetzt schon vor dem Gedanken, dass ich oben ankomme, und sie erwartet mich an der Himmelspforte.»
    Sie lachte leise auf. «Kannst du dir vorstellen, was da oben los ist, wenn Mutter ihr Plätzchen erst bezogen hat? Der gutePetrus kann in Pension gehen, dafür garantiere ich dir. Mutter wird Empfangschefin, und sie wird schon sortieren, wer rein darf und wer nicht. Mit der Zeit darf dann bestimmt keiner mehr rein. Aber dann kann sie sich ja mit Petrus zusammensetzen, wenn ihr langweilig wird. Dann können sie über alte Zeiten plaudern. Ich halte jede Wette, Mutter weiß mehr darüber als er. Nur was hier unten gebraucht wird, das weiß sie nicht.»
    Ein paar Minuten lang war sie still, schaute die Zimmerdecke an, als könne sie hindurch in Mutters Phantasien sehen. Dann sprach sie langsam weiter. «Inzwischen bin ich ganz froh, dass sie es nicht weiß. Wenn sie wieder mal drei Tage keine Zeit hatte, sich zu waschen, bin ich sogar dankbar, wenn sie nicht in meine Nähe kommt. Aber früher habe ich mir oft gewünscht, dass sie mich einmal in die Arme nimmt, statt ihren Quatsch runterzuleiern. Vor allem damals, als es mich so übel erwischte. Es ging mir so dreckig, das kannst du dir nicht vorstellen. Ich habe mir die Seele aus dem Leib gekotzt. Ich dachte, beim nächsten Schwall platzt das Aneurysma. Und wer hielt mir die Schüssel unters Gesicht? Wer wischte mir den Schweiß von der Stirn und die Haare gleich mit vom Kopf? Eine junge Lernschwester. Mutter, die eigens bei mir war, um mir Kraft, Mut und weiß der Teufel was sonst noch zu geben, lag derweil auf den Knien und der Schwester im Weg. Manchmal habe ich mir gewünscht, dass die Schwester ihr einen Tritt versetzt. Ich hätte sie so gebraucht, Cora, und sie war nicht da. Sie war ständig in meiner Nähe. Und nie war sie da. Aber wem erzähle ich das. Für dich war sie ja auch nicht da.»
    Sie bewegte langsam ihren Kopf auf dem Kissen, drehte ihr Gesicht zur Seite und schaute mich an. «Hast du dir auch manchmal gewünscht, dass sie dich mal in den Arm nimmt?»
    «Eigentlich nicht», sagte ich.
    Magdalena seufzte. «Na ja, du hattest Vater. Und jetzt hastdu einen Freund da draußen. Erzähl mir ein bisschen von ihm.»
    Und ich erzählte ihr von einem Jungen, der nicht existierte. Er war ein toller Kerl, zwei Jahre älter als ich und bereits mit der Schule fertig. Er fuhr ein Moped, und abends trafen wir uns beim Stadtsee. Seine Eltern waren reich und sehr modern eingestellt. Sie hatten ein tolles Haus, eins von denen, die im Wald an der Straße nach Dibbersen standen, von denen man nur die Dächer sah, wenn man vorbeifuhr. Es war sehr chic und teuer eingerichtet. Und seine Eltern hatten natürlich nichts dagegen, wenn er mich mitbrachte. Im Gegenteil, sie mochten mich sehr gerne und freuten sich jedes Mal, wenn sie mich sahen. Dann sprachen sie ein paar nette Worte mit mir, aber sie hielten uns nie lange auf, weil sie wussten, dass wir lieber allein sein wollten. Wir gingen hinauf in sein Zimmer, hörten Musik, lagen auf dem Bett, küssten und streichelten uns.
    Jeden Abend erzählte ich ihr davon. Jeden Abend brachte ich sie nach dem Essen hinauf, half ihr beim Ausziehen, stützte sie beim Zähneputzen, wusch sie, cremte sie ein, brachte sie ins Bett und sagte dabei: «Ich freue mich schon so auf ihn.»
    Ich hatte ihm den Namen Thomas gegeben. In der Schule gab es einen Jungen, der so hieß und den ich sehr nett fand. Er war nicht so wüst und ordinär wie die anderen. Ich wusste nicht viel über ihn. Er ging aufs Gymnasium, ich sah ihn immer nur in der Pause. Da saß er meist in einer Ecke auf dem Boden und las in einem Buch. Um Mädchen kümmerte er sich nicht – und sie nicht um ihn. Er trug eine Brille.
    Mein Thomas trug natürlich keine. Magdalena hätte das als einen Makel empfunden. Für sie mussten die Jungs groß und stark und hübsch, wild und zärtlich sein. Thomas war schon der zweite in der Art, den ich erfunden hatte.
    Wenn Magdalena im Bett lag, ging ich hinunter und sagtezu Mutter: «Ich muss jetzt unter dem Auge Gottes Einkehr halten.» Ich konnte nicht im Haus bleiben, dann hätte Magdalena den

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